Beinahe zehn Jahre gibt es nun die Lesebühne "Frauenstimmen", die Elisabeth Strasser fast von Beginn an mit sehr viel Umsicht organisiert und moderiert. Die diesjährige Ausgabe fand am 21. April im Kulturverein "Strandgut" statt.
Text und Fotos: Dominika Meindl
Im besten Sinn programmatisch startete Karin Peschka mit ihrer Lesung aus "Triebwerke: Im Ich-Raum der Kunst." Mit Egozentrik hat das überhaupt nichts zu tun, sondern mit der Notwendigkeit, dass sich die Kunstschaffenden "nehmen, was sie brauchen, und einfordern, was ihr fehlt". Und das gilt selbstverständlich für jene, die Kunst schaffen. Den Männern muss man das eher nicht mehr mitteilen. Peschka hat die Rede für eine Ausstellung der Frauen der Künstlergilde im Eferdinger Triebwerk aus bekannten Gründen nicht halten können, zum Glück konnte sie in Marlen Schachingers Anthologie "Fragmente" erscheinen. "Lasst uns einen Raum aufmachen und hineingehen mit der Behauptung: Kunst wurzelt in Irritation." Sie zitiert Marguerite Duras: "Es geht nicht darum, etwas zu erreichen, es geht darum, aus dem Bestehenden auszubrechen." In der Kunst kann es um das Überleben (in welcher Form auch immer) und um Narzissmus gehen. Fast immer geht es aber auch um Selbstzweifel. Von größter Bedeutung ist aber der Flow: Man ist (ich bin) mehr als Hände, Hirn und bewusster Verstand." Sich von einer Idee überfallen lassen können. Sich als Mensch vollständig zum Ausdruck bringen zu können.
Im Kapitel "Mutter" am Ende ihres neuen Romans "Dschomba" erzählt Karin Peschka von der Pfarrersköchin Agnes, "die Deutsche mit dem schiefen Mund". Über Menschen, die das Leben hart gemacht hat, die sich ihr bisschen Zartheit für die Katze aufheben. "Was hat dich so hart gemacht, Agnes?" fragt Dragan Dschomba. Sie habe die falsche Person lieben wollen. "Es gibt keine Falsche", sagt der Pfarrer.
In Marlene Gölz' Erzählung "Flugpost" geht es um die Begegnung mit dem russischen Burjaten Klim, einem Dioktor der Germanistik, dem die Österreichische Botschaft geholfen hat, vor der Rekrutierung zu fliehen. Er kommt bei der Erzählerin unter. Er sagt, dass es im Russischen kein Wort für "Nachhaltigkeit" gebe, und dass man sich dort wieder der Vergangenheit zuwende. In Wien gibt er sich aus Scham als Mongole aus. In der Geisterbahn "ließen wir uns vom Schrecken zum Lachen bringen." Die Erzählerin bekommt zum Abschied ein T-Shirt mit dem mehr als bemerkenswerten Spruch geschenkt: "Wenn du dich fürchtest, tu es nicht. Wenn du es tust, fürchte dich nicht." Beim Schreiben sucht Gölz Punkte, an denen die Geschichte ins Kippen gerät. Furcht ist durchaus ein Antrieb zum Schreiben.
Ihr zweiter Beitrag war ein Auszug aus dem Roman "Die Fremde", an dem sie gerade arbeitet. "Aufhören ist keine Option", heißt es darin. Im Elternhaus ("Wer war hier der Geist? Ich oder das Haus?") wartet die Tochter auf die Nachricht aus Krankenhaus, dass ihre Mutter gestorben sei. Dabei begegnen ihr Dinge und Menschen, an die sie sich nicht erinnern will und die sie nie erfahren wollte.
Lisa-Viktoria Niederberger las Passagen ihres Texts "Was wir sind", und es wurde mindestens derjenigen, die das schreibt, beim Zuhören ganz warm. Vor Wut über all die beschissenen Aspekte der neoliberal-patriarchalen Zurichtungen des weiblichen Körpers. Entstanden ist der Text für das transdisziplinäre Projekt "De / re Constructing Female Bodies". Sie schildert, wie junge Mädchen schon indoktriniert werden, wie sie zu gefallen haben. "Wir bauen uns Rüstungen aus Push-Up-BHs und Polyestertops. Wie schminken unsere Unsicherheit weg: der Lidstrich als Kriegsbemalung - unsere Feindinnen sind primär wir selbst." Sie weiß viel über den "Zusammenhänge zwischen Körperwahrnehmung und kapitalistischen Interessen" - Stichwort: Cellulite ist eine Krankheit - und kann sich trotzdem nur schwer entziehen. Aber: "Ich wünsche mir, dass niemand wieder jemand auch nur einen Cent an meiner Unsicherheit verdient."
Niederberger erzählt, sie setze sich in ihrer Arbeit gern mit den Dingen der Lebensrealität auseinander, und das ist oft auch die Situation von Frauen und von Schreibenden. Autobiographisches zu fiktionalisieren ist für sie interessant. In ihren Essays geht es um Ehrlichkeit: "Je offener ich bin, desto höher die Resonanz, auch wenn man sich verletzlich macht."