Dienstag, 31. März 2020

Auszug Waldviertler Diarium. Teil 2 der Reihe "Nachrichten aus dem Inneren"

Von Richard Wall

Mittwoch, 25. März
Aus dem Träumeland, das mich allzusehr aufgeregt, ins Waldviertler Winterland. Blickt man frühmorgens in die frostbedingt fahlen Farben & Schneereste, könnte man meinen, es hätte einen ordentlichen & nicht einen so siebenseidenen Winter gegeben. Den Vogerln ist das lustige Tirilieren bei diesem eisigen Nordwind vergangen. Der friert einem ja die Zunge ein, wenn man das Maul aufmacht. Nicht einmal Krähen stochern mit ihren Schnäbeln durchs Gelände. Ich halte mich nach dem Holzholen & Salbeiblätterzupfen am Teehäferl fest. Dreh die schaurigen Nachrichten ab. Das Positive: Es wird wieder, zumindest hier im Norden, ein sonniges Tagerl & ein Frühstücksei geben.
Ankunft von M. gegen Mittag. Am Frauenwieserteich, den sie zuvor umrundet hat. Gab’s feine Wind- & Wassermusik: Der N-Wind schlug Wellen gegen die Eiskrusten an der von einem Waldstück beschatteten S-Ufer des Gewässers.


Bissiger N-Wind. Dennoch kleinere Arbeiten im Garten verrichtet, mit der Holzarbeit bin ich vorläufig fertig. Eine Fuhre trockenes Buchenholz für den kommenden Winter erwarte ich im Sommer, diese Meterscheiter muss ich dann mit der Kreissäge ofengerecht ablängen, klieben & in der luftigen Holzhütte auftristeln.

Schreibe Briefe an Hans Höller & Regina Hadraba.

Die Lage der Ärzte in Bergamo erinnert an den Arzt Bernard Rieux in Camus‘ Pest. In hoffnungsloser Lage arbeitet er bis zur Erschöpfung, während immer mehr Freunde sterben; auch seine Frau kommt um.

Der Tod meistert alles.
Das Leben nicht.

In wärmender Helle tauen auch die Vögel wieder auf. Flitzen aus Sträuchern in die Kronen der Bäume, wetzen die Schnäbel, im nächsten Moment flitzen sie wieder retour. Vorwiegend Kohl-, Blau- & Haubenmeisen. Und ein Rotkehlchen-Paar.

Sturm aus Nord (klingt beinah anrüchig germanisch
oder wie ein Buchtitel von Luis Trenker)
weht Kristalle grau wie Asche
im Spätlicht des Abends über die Hügel.
Die Brandung ferner Meere
rauscht aus den Wäldern über die Fluren.
Der Frost der Nächte hat die Blüten der Primeln
zu bräunlichen Fäden versengt.

Der Städte Straßen & Plätze leergefegt
Covid 19 wütet weltweit, tötet exponentiell
Treibt unsere Zivilisation vor sich her
Hölderlin meinte,
Wo aber Gefahr ist wächst
Das Rettende auch.

Noch ist das Virus dem menschlichen Geist enthoben.
Erkenntnisse & Ausgang ungewiss.
Wie tief der Riss geht
wagen nur Scharlatane zu sagen.

Saunaabend: Wenn wir nackert vor das Haus treten, sehen wir die nackerten Sterne blinken & blitzen. Die Wolken haben sich verzogen.



Donnerstag, 26. März

Seit Samstag ist Winter. Der 5. Tag in Folge mit Minustemperaturen. Dergleichen hatten wir nicht in den zurückliegenden Wintermonaten. Marillen wird es heuer kaum welche geben.
Heute ist wieder ein Handschuh- & Filzstiefeltag. M. liest mir aus ihrem iPhone Nachrichten vor von Peter Wenzel, Ernst Skrička & Ray MacMánais. Letzterer kann es nicht lassen & beglückt uns auch dieses Mal mit Beispielen für die Vielschichtigkeit der Irischen Sprache & mit philologischen Spitzfindigkeiten, die vor allem Vokabel betreffen, die im weitesten Sinn der Ermunterung dienen.
Zwei seien hier angeführt: Misneach. Im Dictionary, so der Kommentar, werde es als „Mut“ übersetzt, aber für eine irisch sprechende Person kann es mehr bedeuten. Nämlich Ermutigung, Glaube & Hoffnung. Angefügt eine Redewendung: Ná caill do mhisneach – Verlier nicht Deinen Mut. Sólás bedeutet Trost in schweren Zeiten. An áit a mbíonn an dólás, bíonn an sólás ina aice Jede Wolke hat einen Silberstreifen.
Dazu ein Filmchen, auf dem zu sehen ist, wie eine junge irische Familie von einem sturmausgesetzten Trampolin – nebelverhangene Hügel im Hintergrund – das traditionelle Protestlied Óró Se Do Bheata ‘Bhaile interpretiert.

Der Song, der auf den Kampf der von den Iren unterstützten Jakobiten gegen den englischen König zurückgeht, ist dem Kampf der irischen Piratin Grace O’Malley gegen die britische Herrschaft gewidmet. Von Mitgliedern und Sympathisanten der IRA wurde es während des Osteraufstandes 1916 und später während des Unabhängigkeitskrieges gesungen.
Hier jene Strophe, die sich explizit auf Grace O’Malley bezieht:

Gráinne Mhaol ag teacht thar sáile
óglaigh armtha léi mar gharda
Gaeil iad féin is ní Gaill ná Spáinnigh
is cuirfidh siad ruaig ar Ghallaibh.

Grace O’Malley kommt übers Meer
Bewaffnete Krieger begleiten sie als Wache
Es sind Iren keine Franzosen oder Spanier
Und sie werden die Fremden in die Flucht jagen.

In diesen Tagen blühen solche als Aufmunterung gedachten Heimwerkerkonzerte, gedacht für urbi et orbi, sprich Soziale Medien, YouTube etc. Selbst Buchpräsentationen finden in den eigenen 4 Wänden statt.

Stärker in Bann zu ziehen vermochte das auf Ö1 gegebene Opus 54 von Brahms, ein Werk für Chor & Orchester, eine Vertonung von Hölderlins Hyperions Schicksalslied. Ui, da bekam ich eine Ganslhaut & etwas lief mir kalt über den Rücken.

Erheiternd hingegen einige Passagen in der Postwurfsendung „Aus der Gemeindestube Langschlag“:
Das Corona Virus hat auch unsere Nation voll erwischt. Wir sprechen mittlerweile von einer Pandemie, bei der Europa und somit auch Österreich im Zentrum liegt (sic!). Das Gemeindeamt Langschlag ist weiterhin für unserer Bürger besetzt, allerdings nur im Notbetrieb. Der direkte Parteienverkehr wird auf ein Minimum reduziert, weswegen der Außeneingang derzeit versperrt ist.
Unter der Rubrik „Einschränkungen“
  • Die Heiligen Messen in der Pfarre werden ohne Volk abgehalten (lt. Verlautbarung).
  • Gemeindeamt geschlossen aber besetzt (…).

Abreise von M. spätabends.

Die Rückkehr des Winters der keiner war.

Bitterkalter Wind aus Nord, Polarluft frostete
tagelang in die schon schwellenden Knospen hinein
von Kirsch- & Birnbaum kurz vor dem Erblühen, Aufblühen,
ich hingegen, beschämt unversehrt, warm gekleidet,
bergauf gehend mit dem steigenden Licht im Rücken
& dem Wissen dass jedes Beginnen
schlicht auf das Ende verweist.


Freitag, 27. März

Morgenfrost, klarer Himmel. In der Mitte des Vormittags ziehe ich los Richtung Süden, den Stierberg querend, pflücke die letzten noch nicht schwarz gewordenen Hagebutten als Wegzehrung. Hinein in den Höllgraben, in dem riesige Felsblöcke liegen, die wildeste Stelle heißt demnach auch Teufelsmühle. Am Augenbründl vorbei Richtung Schmalspurbahnstrecke & weiter Richtung Wolfersberg & im weiten Bogen über Bruderndorf retour. An gen Ost & Südost ausgesetzten Stellen stürmischer Wind. Traf nur einen Mann, der brav ausweichend mit seinen Stöcken vorbeiklapperte.
Am Nachmittag Teppiche geklopft, Wintergarten & Vorräume gekehrt, Türen & Fenster aufgerissen & durchgelüftet.
Jetzt ist es amtlich: Boris Johnson hat sich mit dem Virus infiziert. Italien hat 919 Tote an nur einem Tag.


Samstag, 28. März

Die Sonne lockt, lockt mich hinaus. Hinaus in den Garten. Ich breche Salbeiblätter von der Staude, 2 Blätter kommen zum Himmelschlüsselblütentee dazu, die anderen werden mit den Frühstückseiern in Butter gebraten. Es gibt Tage, da MUSS ich mit den Händen schaffen, Komposterde umgraben, ein Beet für das Bepflanzen richten, Trittsteine legen, ein Steinmäuerchen errichten, das Beil schärfen, trockenes Astholz mit der Handsäge ablängen u.v.m. Hantieren & Greifen kann einen Gedanken verkörpern. Es gibt Handlungsabläufe, die geschehen in 1 – 2 Sekunden, das lässt sich nicht beschreiben. Aber dennoch ist es manchmal einen Versuch wert. Um zu sehen, wie Wörter ineinandergreifen, ohne bemerkbare Nahtstelle, wie im Garten, wo das Eine das Andere hervorbringt, & das Ergebnis hat dann gar nichts zu tun mit dem was man ursprünglich zum Ausdruck bringen wollte. Man ist gescheitert, & dieses in Form gebrachte Scheitern, diese Transformation führte bei Plato (oder bei Nietzsche im Zarathustra) zum Verdacht, die Dichter lügen. Wenn ich einem vergangenen Erlebnis verhaftet bin, setzte ich mich dem Verdacht aus, eine rückwärts gewendete Haltung zu vertreten.
Skepsis ist geboten, das wissen wir, die mit dem Wort arbeiten, am besten. Misstrau den Wörtern, vor allem jenen, die Dir täglich um die Ohren fliegen. Ein geschärftes Beil ist ein geschärftes Beil. Es bewährt sich bei seinem Einsatz, so wie das Wort, das auch erst im Kontext, vom Rost befreit & vom Missbrauch durch Werbung, Politik & Wirtschaft stumpf gemacht, als Scharnier oder Tür wieder funktionieren kann.
Im Mund der Mächtigen können Wörter zu einer Waffe werden, um uns, nein alles auf dem Planeten zu beherrschen, alles auch jenseits der menschlichen Bereiche, denn sie haben sich abgesetzt von den irdischen Kreisläufen. Die von Hollywood geschaffenen Aliens leben längst unter uns & vermehren sich auf Teufel komme raus.
Wir aber setzen einen Birnbaum Sorte Alexander Lucas. Siebe für den Wurzelbereich feine abgelagerte Komposterde, M. gibt Steinmehl dazu, dann wässern wir ordentlich. Nachdem Scheibtruhe, Spaten & Schaufel weggeräumt sind, trinken wir ihm zu mit einem Glas Bier & exerzieren ein Ritual mit gefalteten Händen & einigen Verbeugungen & lachen dabei selber über uns. Alexander Lucas soll merken, dass wir auf ihn bauen & ihm ein gutes Anwurzeln wünschen.

Wieder ein viel zu warmer Tag.

Der Herr Bundeskanzler von den Türkisen gibt sich sozial, aber hinterrucks wird das Klientel der Mächtigen bedient. Die Bezeichnung „Volkspartei“ war schon immer ein Schmäh (außer man ist der Meinung, die oberen Zehntausend repräsentieren das Volk).
Jetzt kommen weitere Details zum Sumpf in Tirol ans Licht: Unter „Treffen mit der Adlerrunde“ heißt es in der Tageszeitung Der Standard: „Bemerkenswerter Zufall inmitten all dieser Entwicklungen ist, dass Kurz eine Woche bevor im Innsbrucker Hotel Europa Österreichs erster Coronavirus-Fall publik wurde, genau dort zu Gast war. Der Kanzler traf hier bei seinem ersten offiziellen Tirolbesuch seit der Wiederangelobung, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Mitglieder der Tiroler Adlerrunde zum ‚Gedankenaustausch‘. Hinter dieser laut Eigendefinition ‚politisch unabhängigen Plattform‘ verbergen sich mehr als 40 der größten Unternehmer Tirols. Darunter die mächtigen Seilbahner Jakob Falkner aus Sölden und Hannes Parth aus Ischgl, der Tourismusverbandobmann des Paznauntals und Hotelier Alexander von der Thannen, aber auch Porr-Hauptaktionär und Kurz-Großspender Klaus Ortner.“

In Spanien 832 Tote binnen 24 Stunden.

Im letzten Abendlicht schwebt hoch oben die Mondgondel, der höhere, gen Norden weisende Bug spitzt Richtung Abendstern Venus.
Weder Fluch(t)zeug noch Kondensstreifen am Himmel. O wie schön!



Sonntag, 29. März

Die auf den Höhen des Hubberg auf felsigem Grund wachsenden Föhren & Buchen sind anders. Föhren, die auf den Felsen stehen, sehen aus wie Bonsaibäume, & die Buchen sind gedrungen & unsymmetrisch gewachsen, auch aufgrund der ausgesetzten Lage. Sie haben Ausdruck, jeder Baum für sich, die Einbeziehung in die Bezeichnung „Wald“ wäre eine Beleidigung für diese solitären Wesen. Ich sehe sie in keinem narrativen Zusammenhang & ohne symbolische Bedeutung. Sie sind vollkommener Ausdruck einer Lebensform, die mit wenig auskommt; deutliche Zeichen für das, was (noch) möglich ist und sein kann, wenn der Mensch nicht eingreift mit seiner Ökonomie und Zweckmäßigkeit.
(Das Wort „Wald“ verbinde ich eher mit den unsäglichen Fichtenmonokulturen, mit einer dunkelgrünen, schweren, ja düsteren Gleichförmigkeit; immerzu fällt mir hier, in dieser Höhe, Stifters „Hochwald“ ein: Der Böhmerwalddichter zog selten den einzelnen Baum in Betracht.)

Der Waldkurgast erkennt
in den harzenden Stellen randständiger Fichtenstämme
Saugnäpfe.
Sein japanisches Objektiv macht große Augen,
er lacht mit den klaffenden Sohlen seiner Wanderschuhe,
verheddert sich mit den Schuhbändern
in der Macchia aus Heidelbeerstauden, Thymian und Heidekraut,
fordert Hofhunde heraus, Wetterhähne,
zieht die Reißleine, ruft Simsala-Bim,
die Tramway hält, & er fährt geheilt
retour nach Döbling.



Dienstag, 24. März 2020

Leicht betrunken und keine Termine. Start der Reihe "Nachrichten aus dem Inneren"

Erste Folge: Dominika Meindl

13.3.
Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Eine geschmacklose Gottheit hat meine geheimsten Wünsche erfüllt, aber um welchen Preis?! Die Wirtschaft geht den Bach hinunter, alle haben Sorgen und ich muss die Reise zum Polarkreis aufgeben. Positiv ist höchstens, dass Harald Juhnkes bestes Zitat die Runde macht.

Angesichts des hektischen Entrümpelns im Altstoffsammelzentrum sieht mich die ältere Mitarbeiterin wohlwollend an und sagt „Gottseidank sind wir in Pension, goi?“ Vielleicht gebe ich meinen Widerstand gegen das Haarefärben auf, wenn das alles hier vorbei ist. Im Supermarkt ist alles Grüne aus den Kisten gerupft; nur beim Stangensellerie würden die Menschen von Linz-Land lieber hungern, als ihn zu kaufen. Ein Freund von einem Freund von einem Freund erzählt, dass auch alle Jungpflanzen im Hanf-Growshop gehamstert werden.

Die Nachbarn sind zu Besuch.


14.3.
Jemand, den ich von ferne kenne – als bildender Künstler eigentlich im Genuss meines Vertrauensgrundsatzes – beginnt, auf Facebook dummes Zeug zu posten, das Virus sei aus einem chinesischen Kampflabor entschlüpft, die Zahl der Infizierten vom System übertrieben, außerdem sei heute der Tag, um der Bombardierung der Staatsoper zu gedenken, als die Amerikaner die Österreicher ins Herz trafen (der Mann ist selbst Spanier). Als ich ihn höflich frage, ob ihm ein Radl im Dreck renne, blockiert er mich umgehend. Corona macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer. „Social media distancing“ drängt sich auf (was ich durch das Verfassen von Blogtexten gleich wieder ad absurdum führe).

15.3.
Am Tag vor der Ausrufung der Covid-19-Gesetze verlassen die Roma mit ihren Gespannen Wels. Es werden sie weniger die völkischen Kräfte in der Stadtregierung vertreiben (obwohl die seit Jahren alles daran setzen, die Durchreisenden an ihrem traditionellen Halt zu hindern) als die Hoffnung, noch die französische Grenze zu erreichen, bevor alles dichtgemacht wird.

Privilegierte Schauplätze der Selbstisolation: unterm Baumhaus

16.3.
Das Ausräumen des Geschirrspülers gewinnt eine nie dagewesene Würde im Alltagsvollzug. Bei „Recherchen“ entdeckt: Im inneren Asteroidengürtel gibt es einen Kleinplaneten, der „(243491) Mühlviertel“ heißt. Die Gendarmerie fährt Streife durch mein Einfamilienhausghetto, um nachzusehen, ob die Kinder jeweils in den eigenen Gärten trampolinspringen.

18.3.
Ein Freund erzählt beim Entlastungsplausch am Telefon, er habe seit Ausbruch der Seuche in China nachgedacht und viel gerechnet; dank seiner Prognosen sei er so erfolgreich beim Aktienhandel gewesen (und zwar zum Nachteil einer großen Bank, sehr gut), dass er jetzt zur Not seine Familie eine Weile alleine durchbringe. Seither verbringt er viel Zeit damit, auf die leere Autobahn hinunterzuschauen. 

Zehen und Leseempfehlung der Autorin

19.3.
Einen Termin nach dem anderen radiere ich aus dem Kalender; bei den vielen unbezahlten Besprechungen ist es mir eine Erleichterung, bei „Skitour Slowenien“ oder „Großvenediger“ radiere ich gründlicher, damit mich keine Spuren dieser Einträge an mein versäumtes Leben erinnern. Ich stehe jetzt öfter vor den Karten vom Toten Gebirge, die ich an die Wand genagelt habe, und male mir lange Entschädigungstouren im Sommer aus.

23.3.
Erleichterung, dass ich in den übersozialen Wochen offensichtlich niemanden angesteckt habe, vor allem nicht bei Hans Eichhorns Begräbnis (das in dieser großen, offenen Form wohl erst wieder im Sommer hätte stattfinden dürfen; schön, dass wir uns noch so verabschieden konnten.) 

24.3.
Gertraud Klemm schreibt soeben auf Facebook über ihren Ärger, wenn es überall heißt, jetzt komme man endlich wieder zum Lesen. „Ich kann's nimmer hören! Die Literaturbranche kracht wie ein Kaisersemmerl: Leipzig fand nicht statt, die PR stottert, viele Lesungen brechen weg, Herbstprogramme werden abgesagt. Und was passiert? Der ORF empfiehlt 'Schwarten' wie Tolstoi, Ö1 stellt das Kulturjournal ein, und Amazon liefert einfach keine Bücher mehr aus. Das könnte die Stunde der Literatur sein und ist stattdessen ein Untergang in mehreren Etappen. Ich frage mich gerade - wie konnte das passieren, dass die ganze Literaturbranche so veranstaltungsfixiert und verplappert ist? Sollte es nicht ums Lesen gehen?“
Wie uns das alles hier in OÖ betrifft, müssen wir abwarten. „Zum Glück“ habe die Oberbank „Fett auf den Rippen“, sagt der slimfitte Direktor Gasselsberger. In der heimischen Literatur haben wir dieses Fett höchstens im Wortsinn am Leib, unsere finanziellen Reserven sind mager wie Marathonläufer.

Orban schafft es immer noch, fassungslos zu machen – er will den Notstand auf unbestimmte Zeit verlängern. Wäre das jetzt nicht ein schöner Anlass für die EU, sehr, sehr, sehr streng zu werden? Und für die türkisen Orban-Freunde in der Regierung, sich vom Gulaschdespoten zu distanzieren? Gut, dass wir in Österreich die Bedeutung des Wortes „Notstand“ derzeit noch privat auslegen dürfen und an die armen Singles denken, die zuhause grade ohne Unterleibsfreuden bleiben. Wäre ich nur ein wenig verworfener, ich wünschte dem Orban ein Unterleibsleiden, aber: So sind wir nicht.

Die etwas ungenutzt umherstreifenden Empfindungen suchen sich eigene Ventile, man ist etwas empfindlicher als sonst, die Empathie mit den Marillenbauern über deren Totalausfall ist so tief wie die Temperaturen. 

Service für die Filterblase: ein coronabefreiter Pressespiegel 

Dienstag, 3. März 2020

Hans Eichhorn. Über einen großen Verlust

Von Dominika Meindl

Es geht so schnell, und aus dem Nachbericht einer Lesung, einer Rezension von "FAST das Große Haus" im Falter und Wally Rettenbachers Sendung "poetic act" (siehe den Eintrag vom 18. Februar) setzt sich ein so nicht intendierter Nachruf zusammen: Am Samstag ist Hans Eichhorn gestorben, im Kreis seiner Lieben und angesichts des Attersees, dem Zentrum seiner beiden Berufungen. 

Glückliche Menschen hat Eichhorn in seinem Boot mit hinaus auf den See genommen, und wenn er in seiner ruhigen, ironischen Art vom Fischen erzählte, vom Umschlag des Wetters, der Konkurrenz unter den Kollegen, den toten Tauchern am tiefen Grund erzählte, war das schon Literatur. Umgekehrt ist der beobachtende Blick des Fischers in seiner Lyrik und Prosa wahrzunehmen. 


Eichhorns Texte waren komplex und - Kunststück! - zugleich zugänglich, und das Gleiche lässt sich über Hans als Person sagen. So traurig es gerade ist, einen Abend im Gedenken an unseren lieben Freund und Kollegen zu gestalten, so schön ist es auch. Wie viele etwas Liebes zu ihm zu sagen haben, mit wie vielen von uns er sich bis zuletzt, schon ganz am Ende seiner Kräfte, noch ausgetauscht hat. Er hat seinen letzten Rest an Energie dafür genutzt, Kontakt mit uns zu halten. 


Er gehört zum Urgestein der GAV OÖ, wir werden auch sein Engagement für die Sache der Literatur in Oberösterreich schmerzlich vermissen. 

Wir laden all jene, die sich literarisch von Hans Eichhorn verabschieden wollen, zu einem Hommagen-Abend: Montag, 27. April, Stifterhaus, 19:30 Uhr.

Ficken mit dem Klassenfeind. Walter Josef Kohl

Foto: Dieter Decker Rezension von Dominika Meindl  „ Bei all der sozialen Aufsteigerei, beim sich Emporarbeiten von ganz unten, vom dörfl...