Montag, 29. April 2019

Literatur kriegt die Krise

Der Status der oberösterreichischen (und damit recht selbstverständlich auch jener der Linzer) Literaturszene ist wie geschaffen für das Thema der Ausschreibung. Mit einer Kürzung von 34 Prozent hat die freie Literatur beim Antritts-Kahlschlag von Landeshauptmann Thomas Stelzer „gewonnen“. Vielleicht entspricht das der gesellschaftlichen Bedeutung von Literatur, vielleicht ist der literarische „Standort“ Oberösterreich wirklich so gut aufgestellt, dass man ihn gar nicht mehr fördern muss, vielleicht waren die AutorInnen so frech, dass man diese Hofnarren zurechtstutzen muss.
Doch das glauben wir nicht. Wir sind die Regionalgruppe der Grazer Autorinnen Autorenversammlung Oberösterreich (im Folgenden „GAV OÖ“). Als größte Vereinigung von SchriftstellerInnen im Bundesland wurden wir in jüngster Vergangenheit immer stärker mit der Prekarisierung der „heimischen“ Literatur konfrontiert. Das hat einerseits gewiss globale Gründe: Das Buch als klassisches Medium hat seine Bedeutung verloren, es wird weniger Literatur denn je gelesen. Die Krise betrifft auch die Verlage, Literaturhäuser, Bibliotheken, Büchereien am Land, Kulturvereine mit Literaturschiene, Zeitungen. Andererseits sind unsere Schwierigkeiten auch hausgemacht und haben den vorläufigen Tiefpunkt nach einem langen Prozess der Marginalisierung erreicht. Laufend wurden Fördermittel für Verlage und AutorInnen gestrichen, Preise und Stipendium nur noch biennal vergeben oder ganz aufgegeben. Schulen haben angesichts der überbordenden Bürokratie aufgegeben, Lesungen und Workshops zu veranstalten.
Eine beträchtliche Sorge bereitet uns Literaturschaffenden die verschwindende Literaturkritik, ganz besonders in der oberösterreichischen Medienlandschaft (die ohnehin schon nicht durch Vielfalt prunkt). Rezensionen bekommen in Tageszeitungen kaum noch Platz und konzentrieren sich auf die „Big Player“ im Literaturbetrieb. Das literarische Leben ist in der Realität noch vielfältig, medial bildet sich das aber kaum ab.
Zu einem gewissen Teil nehmen wir als GAV OÖ auf unsere Kappe, dass wir uns über Jahre die Butter vom Brot nehmen haben lassen. Das soll sich von nun an ändern.

Eine digitale Plattform für Literatur

Wir meinen: Das literarische Leben der Stadt ist sehr viel reichhaltiger, als es sich in den Medien spiegelt. Deswegen nehmen wir die Entscheider beim Wort und springen motiviert auf den Zug der Digitalisierung auf: Linz soll nicht umsonst UNESCO City of Media Arts sein. Unser Ziel ist die Etablierung einer digitalen Plattform, die alle Sparten umfasst, ein großes Blog, auf dem AutorInnen – unterstützt durch die Arbeit eines Redaktionsteams – rasch und unkompliziert ihre Texte veröffentlichen können. Erwünscht ist diskursive und formale Vielfalt: Kurztexte, Gedichte, Dramolette; Essays, Rezensionen, Veranstaltungskritiken, einschlägige News, kulturpolitische Gedanken. Hier sind auch Texte zu lesen, die Verlage aus ökonomischen Gründen und Zeitungen aus diplomatischen Gründen nicht drucken wollen.
Die GAV OÖ stellt IT-Support, Redaktion, Lektorat und Honorar. Von großer Bedeutung ist die transparente und betont objektive Arbeit der Redaktion. Beiträge von AutorInnen, die nicht Mitglieder der GAV OÖ sind, oder von JournalistInnen sind willkommen. Der Bezug auf Linz und Oberösterreich ist erwünscht, jedoch nicht dogmatisch. Es muss immer wieder auch die „Gegenseite“ zu Wort kommen, also etwa die Verantwortlichen für die Kulturpolitik.
Die Arbeit an einer digitalen Literaturzeitschrift ist unsere Gegenstrategie zum ewigen Klagen über mangelnde Präsenz. Das ist unsere Antwort auf die Krise des klassischen Medien. Nach wie vor schätzen und verteidigen wir den Journalismus als vierte Säule des Staates. Gleichzeitig müssen wir einen eminenten Bedeutungsverlust literarischer Berichterstattung zur Kenntnis nehmen.
Qualität in die Echokammern! Wir wollen alternative Medien nutzen – diese Strategie ist kein Privileg populistischer Politik, auch wir können eigene Kanäle erschaffen und mit Inhalten füllen. Das Niveau wird entsprechend hoch, aber auf keinen Fall elitär sein. Der Vorteil sind der direkte Kontakt zu den LeserInnen, die per (moderiertem) Kommentar auf die Beiträge reagieren können, und die Möglichkeit, die Inhalte per Link einer breiten Öffentlichkeit zukommen zu lassen.
Desiderat ist, dass die digitale Plattform in sehr naher Zukunft die Gründung eines Verlages fördert. Linz ist als eine der wenigen Landeshauptstädte kein Verlagsstandort, was das Schaffen der AutorInnen zusätzlich erschwert.

Ficken mit dem Klassenfeind. Walter Josef Kohl

Foto: Dieter Decker Rezension von Dominika Meindl  „ Bei all der sozialen Aufsteigerei, beim sich Emporarbeiten von ganz unten, vom dörfl...