Von Dominika Meindl
Das
Unterwegssein zur Kunst eint die beiden im Folgenden vorgestellten
Neuerscheinungen, wie auch die augenfällige Nähe (wenn nicht gar
Identität) von Aspöck und Wimmer zu ihren jeweiligen
ProtagonistInnen. Aspöcks Text ist „faktional“, jener Wimmers
leicht fiktionalisiert. Dazu passt die Passage aus Aspöcks „James
Ensor“: „Es ist nicht notwendig, eine Geschichte zu erfinden. Das
Leben selbst ist so spannend, dass ich die realen Geschehnisse und
Handlungen nur erzählen muss. Die Kunst ist, sie von meinem Kopf in
meine Schreibhand und von da in das Bewusstsein der Menschen zu
bringen die den Text lesen.“
In
beiden Romanen erhält die Leserin Einblick in die poetologischen
Zugänge. Was bedeutet Kunst, was Literatur im Speziellen, wie werden
Reflexionen zu einem Text?
Aspöck war im Übrigen Wimmers erste Verlegerin.
Ruth
Aspöck: James Ensor nachgespürt. Meine Reisen zu dem Maler.
Aspöck
ist eine Autorin, der die Bedingungen der Möglichkeiten
literarischen Schaffens wichtig sind, und zwar nicht nur der eigenen,
wie ihre Vita zeigt. Die in Salzburg geborene, in Linz aufgewachsene
und in Wien lebende Literatin hat die feministische
Zeitschrift „Auf“ mitbegründet, sie ist Verlegerin (Edition "Die Donau abwärts"),
Lehrbeauftragte, Organisatorin von Symposien. Das alles seit einiger
Zeit „in Ruhe“, wie man so sagt, nicht aber als Schreibende. Sie
legt sich nicht zwingend fest, schreibt Prosa, Lyrik, Essay,
Fachpublikationen und betreut Anthologien. „Die Grenzen von
Wissenschaft und Literatur sind fließend, wie auch in anderen
Bereichen Grenzen verschwimmen.“
In
ihrem neuen Roman, der coronabedingt erst im September erscheinen
konnte, geht sie dem Leben und Werk von James Sidney Ensor nach, der
1949 in Ostende gestorben ist. Mit seinem Namen wird der Symbolismus
verbunden, ein Vorläufer des Expressionismus. Aspöck erfasst Ensor,
„Maler der Masken“ in Forschungsreisen nach Belgien, München,
Gardasee, Gent, Venedig. Und: „Zum ersten Mal in meinem Leben
möchte ich literarisch zusammenarbeiten“, schreibt sie, das
Projekt unternimmt sie gemeinsam mit der in Brüssel lebenden
Freundin Dr.
Jasminka Derveaux-Filipovic, welche auch die Idee zum folgenschweren
„Ausflug“ an die belgische Küste hatte. Schon sprachlich ergibt
das ein kleines Abenteuer, das gut zum Inhalt passt. Aspöck
formuliert, der Inhalt geht auf die Arbeit beider zurück, die
„Wenn
ich seine Worte von dieser Rede lese, habe ich das Gefühl, dass er
einer von uns ist, einer von uns Schreibenden, ein Literat.“ Es
geht um die Frage, ob Ensor die Utopie der Versöhnung von
Christentum und Marxismus anstrebte, aber auch um die
Identitätsfindung des damals jungen Staates Belgiens – das
gespaltene Herz der EU. Es geht um die eigene Handschrift im Wechsel
der Strömungen, um die untrennbare Dialektik von Kunst und Kontext
(die gerade angesichts der beiden Weltkriege unumgehbar ist).
Recherche
und Inspiration sind Aspöck keine Gegensätze, darum auch der Zusatz
„nachgespürt“ im Titel, und der Begriff der „Gedankenreise“.
Es handelt sich hier um wahrlich umfassende Forschung, der eigene
Zugang bleibt deutlich – sie fragt sich etwa, warum sie sich für
einen Künstler interessiert, nicht für eine zeitgenössische
Malerin, obwohl sie sich da bestens auskennt.
Eingeflochten
sind immer wieder persönliche, berührende Erinnerung an ihre
Jugendliebe Franz Xaver Ecker, verstorben 1999 in Leonding. Diese
Passagen haben mich von allen am meisten berührt. Es gibt
Parallelen, aber auch Kontraste in den Vitae zweier großer Künstler.
„Lebenslang erfolgreiche und psychisch stabile Künstler gibt es
wenige.“
Passagen
zur Poetologie: „Ich
möchte selbst zu einem tiefen (wenn auch niemals vollständigen)
Verständnis einer Sache kommen und werde glücklich sein, wenn ich
das auch auf die Leser und Leserinnen übertragen kann. Ich will
ihnen meine Gedanken vor die Füße legen. Diesen Anspruch habe ich
mit der Literatur, die ich schreibe.“
„Ich
will ja kein wissenschaftlich-akademisches Buch für Fachleute
schreiben, sondern ein literarisches, das mit Neugierde, Lust und
Fleiß entsteht und Freude beim Lesen macht. Es ist das Vorrecht der
Literatur nicht nur zu informieren, sondern auch zu unterhalten. Um
ein solches Werk entstehen zu lassen, muss Zeit vorhanden sein, eine
gewisse meditative Leere, aus der heraus Kunst entstehen kann.“
Erich
Wimmer: Die Eimannfrau. Eine Schweiz-Odyssee
Einen schönen Kontrast
zur Biographie Aspöcks bildet jene des Autors und Musikers Erich
Wimmer, der zusammen mit Gattin, Hühnern und Katzen in einem
rustikalen Idyll bei den Vorderweißenbacher „Firsamböhmen“
lebt. Als „Brotberuf“ arbeitet er als Geigenlehrer im
Landesmusikschulwerk, wie auch als Kunstvermittler, Autor und
Dichter. „Vom Schreiben könnte ich fünf Stunden lang leben,
schreibt er in seinem neuenmittlerweile neunten Roman, und: „Gelesen werden meine
Werke, wenn überhaupt, nur von ganz wenigen, zumeist etwas
schrulligen Menschen.“ Bei der Präsentation erzählt Wimmer davon, dass er für sein Debüt 50 Verlage anschreiben musste, bis es gedruckt wurde, als ausgleichende Gerechtigkeit habe nun gleich der allererste angefragte (Münster) zugesagt.
In der „Eimannfrau“
geht es um die Erlebnisse eines Mühlviertler Stipendiaten, der ein
halbes Jahr in der Villa der Mäzenin Lydia Eimann zubringen darf,
die als eine Art freundliches Gespenst auch ein kleiner Teil der
Handlung ist. Der Roman trachtet danach, die Exotik der Schweiz
herauszuarbeiten, die ja tatsächlich gegeben ist, das alemannische
Ethos, die demokratische Historie haben eklatante
Mentalitätsunterschiede fundiert.
Es ist eine Art
Schlüsselroman, die Biographie des Ich-Erzählers und des Autors
decken sich in Eckpunkten, dazu kommen Bezugnahmen auf Gegebenheiten
des lokalen Literaturbetriebs [Fürs Protokoll: Hier vermerkt die
Autorin zum entsprechenden Kapitel über eine Dichtersitzung ihren
Dissens].
Die Dinge, die den
Erzähler glücklich machen: (Schwarz)fischen, Musik, seine Frau und
die Poesie. Er ist von einem zutiefst humanistischem Zugang zum Leben
getragen, in manchen Passagen geht er zugleich recht streng mit sich
zu Gericht. Damit in Verbindung steht eine Selbstironie, die von
eklatanter Uneitelkeit in Bezug auf das Äußere stammt, man wagt
fast nicht zu lachen, tut's aber, wenn die eigene Frisur als „zwei
flachsbraune Gästepantoffel“ beschrieben wird.
Der Ton ist fast
durchwegs von freundlichem Humor getragen, die aber jene Abgründe,
die auch zu besprechen sind, umso härter kennzeichnen. Stilistisch
ist die Freude am Spiel mit den Worten zu vermerken (man erinnere nur
an den Titel), wie auch der Zug zur kreativen Metapher; das ist –
nicht abwertend gemeint! – in manchen Passagen
Poetry-Slam-tauglich.
In
die Schilderung des halben Jahres in Langetal schummeln sich
besonders gegen Ende immer wieder absurd-komische Kapitel, die etwa
von der versuchten Entführung seiner Mutter durch KGB-Spione
handeln.
Ruth
Aspöck: James Ensor nachgespürt. Meine Reisen zu dem Maler. Löcker
Verlag
Erich
Wimmer: Die Eimannfrau. Eine Schweiz-Odyssee. Münster Verlag
Die Buchpräsentation im Stifterhaus ist im Archiv von dorftv nachzusehen: https://dorftv.at/video/34239