Dienstag, 21. Februar 2023

Arbeiten, wo andere Urlaub machen

 


Altaussee ist ein interessanter Ort. Auf der einen Seite gehören die Straßen den dicken Geländewagen mit Schweizer Kennzeichen und in einem nur scheinbar bodenständigen Dorflokal gibt es Wagyu für ein halbes Vermögen, auf der anderen Seite wird viel Wert auf Tradition gelegt. Noch nie habe ich so viele Plakate für Faschingsfeiern, Schützenfeste, Trachtenbälle und Blasmusik gesehen wie in den Ausseer Schaukästen. Die Architektur ist malerisch bis kitschig, Häuser mit Holzfassaden und geschnitzten Veranden. Dahinter Berge, davor: Parkplätze. Selbst bei Minusgraden rutschen nicht nur die Einheimischen über den eisigen Seerundweg, Tourist*innen überall.  Man kann sich vorstellen, wie die Massen der Ausflügler im Sommer den kleinen Ort regelrecht verschlucken. In der Trafik wird auch jetzt im Winter neben Bild und Krone die Financial Times verkauft. Es gibt ein Literaturmuseum und einen Künstler*innen-Themenwanderweg, die „Via Artis“. Von dort weiß ich, dass schon Friedrich Torberg im Ausseerland leben wollte, aber an den Immobilienpreisen scheiterte. Es ist also nicht nur landschaftlich, sondern auch soziokulturell interessant dort, man kann gut beobachten. Einmal habe ich eine halb gerauchte Cohiba-Zigarre auf der Straße gefunden, Ideen für neue Texte öfter.

 

Warum erzähle ich das alles? Warum diese Beobachtungen über ein kleines Dorf am See, an der (sprachlichen) Grenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark?

Ich komme gerade von einem zweiwöchigen Schreibaufenthalt im Atelier der Literar Mechana, von dem ich erzählen möchte. Es befindet sich in einem Mehrfamilienhaus direkt am See und bietet mehrere Arbeitsplätze. Am liebsten saß ich in der Küche oder auf der Veranda, von der man den besten Blick auf den See hat. Die Wohnung ist gut eingerichtet, gemütlich, das Wohnzimmer ist voller Bücher und in der Küche kann man tatsächlich kochen (was ja in Ferienwohnungen nicht immer der Fall ist).

 






Vor dem Fenster ist eine Badewiese, vielleicht ist es deshalb im Sommer nicht so leise wie jetzt. Ich hatte zwei Wochen absolute Ruhe. Ein schönes, entspanntes Arbeiten, das einen tiefen Fokus ermöglicht hat. Ich habe dort ein neues Kurzprosatext fertiggestellt und lektoriert, zwei kleinere Artikel geschrieben und einen Essay aus dem Vorjahr überarbeitet - eine sehr produktive Zeit also. Schreiben mit Blick auf Wasser und Berge, auf den Dachsteingletscher und Graugänse, Blässhühner und Enten als Kamerad*innen, so toll.  Und nach der Arbeit ein Spaziergang um den See (7,5 km) ...

Partner*innen und Kinder dürfen in die Wohnung mitkommen, Tiere nicht. Die Bewerbung fürs kommende Jahr muss bis September bei der Literar Mechana einlangen (Infos hier).

Ein Atelieraufenthalt, den ich allen Kolleg*innen wirklich sehr ans Herz legen kann.





 

Dienstag, 14. Februar 2023

Termine

2023

MÄRZ

16. März: 19.30 - 23.00 Uhr. Lange Nacht der GAV OÖ

21. April, Freitag, 19 Uhr, Strandgut: Frauenstimmen. Moderation und Organisation: Elisabeth Strasser. Mit Marlene Gölz, Lisa-Viktoria Niederberger und Karin Peschka

9. Mai, Stifterhaus, 19:30 Uhr: Jubiläumsfeier anlässlich des 50ers der GAV

22. Juni, Stifterhaus: „Lyrik & Jazz“, organisiert von Judith Gruber-Rizy. Mit . Musik: Rudi Habringer (Piano) und Franz Prandstätter (Saxophon).

 

Noch ohne Termin: 

Buchmacher“. Organisiert von Herbert Christian Stöger

Volatil“. Organisiert von Herbert Christian Stöger

3x3“-Lesungen im Eferdinger Gastzimmer, organisiert von Marianne Jungmaier und Karin Peschka.

19:30, Stifterhaus „Was wir lesen“, organisiert von Erich Wimmer. Es stellen vor: Musik: Valentina Pirklbauer

3x3“-Lesungen im Eferdinger Gastzimmer, organisiert von Marianne Jungmaier und Karin Peschka

Literatur im Flößerhaus zum Thema „Schreiben“, organisiert von Johann Kleemayr und Sybille Gandler.

X-Batt-Lesung, organisiert von Herbert Christian Stöger und Kurt Mitterndorfer

5. Dezember: Buchpräsentation Richard Wall, zwei Tage vor seinem 70er

Dezember: Apfent, Apfent 8.0Traditionelle Weihnachtslesung und GAV-OÖ-Feier im Strandgut. Es lesen Rudi Habringer, Walter Kohl, Dominika Meindl und Kurt Mitterndorfer. Organisiert von Dominika Meindl

Radiosendungen auf Radio FRO:

POETIC ACT von Wally Rettenbacher:

Aus der Reihe „Nachspann“ von Erich Klinger


Dienstag, 7. Februar 2023

Ist der Roboter der Tod der Autorin?

Eine Rezension von Jörg Piringers "günstige intelligenz" 

Von Dominika Meindl

Spuckten automatische Schreib-Bots bis vor kurzem höchstens unfreiwillig komische Texte aus, klingt der Output mittlerweile im besten Fall nach experimenteller Lyrik. Im vergangenen Herbst fuhr das künstliche neuronale Netzwerk ChatGTP wie ein kleiner Herbststurm ins Feuilleton. Wenige Wochen zuvor hat Jörg Piringer sein literarisches Spiel mit künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Für 5,60 Dollar kauft er sich OpenAI: Nicht um zu beweisen, als Autor unersetzlich zu sein, sondern um den allerersten Versuch einer „zusammenarbeitspoetik zwischen natürlicher und künstlicher intelligenz“ zu wagen und die „rohen fähigkeiten des systems zu erforschen“. OpenAI kommt als logikbasierte Maschine mit unvollständigem Wissen so viel weniger gut zurecht als der menschliche Verstand. Das Programm, so findet er heraus, hätte ungefähr einen IQ von 60. Piringer füttert es etwa mit der an Queneaus „Stilübungen“ angelehnten Anweisung, über ein künstliches Gedicht in Stil Donald Trumps, eines Verrisses, Peter Handkes oder eines Glückskeksspruches zu schreiben. Die Ergebnisse sind manchmal fad, manchmal erschreckend gelungen. Schön ist, dass es an der Aufgabe „schreibe ein rassistisches gedicht“ ziemlich klar scheitert: „Nicht-weiße Menschen haben oft / so schlechte Haut“.

günstige intelligenz“ ist nicht nur Spielerei mit den Möglichkeiten, es stellt die großen Fragen nach Autorschaft, Kreativität und Bewusstsein.

jörg piringer ist der autor dieses textes

er klickte so lange mit der maus

bis es ihm gefiel

kann man das autorschaft nennen

oder sollte nicht eher

mausklicker: jörg piringer

dort stehen

oder kurator

[…]

bin ich der autor meiner texte

und wenn ja

wie viele“


Nicht zu vergessen die Frage nach der Macht, also danach, welche Konzerne die Programme nach intransparenten Methoden trainieren. Gerade deswegen müsse man sich den Bots auseinandersetzen.

ich habe wenig einfluss darauf

aber ich will versuchen

zu verstehen

mitzudenken

künstlerisch mitzuforschen

um nicht den konzernen

den profitgetriebenen Institutionen

die definitions- und denkmacht zu überlassen“


©ESEL Lorenz Seidler

Der 1974 in Wien geborene Jörg Piringer, Vorstandsmitglied der GAV, ist auf allen Ebenen zwischen Sprachkunst, Musik, Performance und poetischer Software unterwegs. Er hat Informatik studiert und ist sowohl Gründungsmitglied des „Gemüseorchesters“ als auch des „Instituts für transakustische Forschung“ und der „Pataphysischen Gesellschaft Wien“. Er unterrichtet an der sfd.

Piringer hat schon 2020 die Jury des Bachmann-Wettbewerbs verunsichert, ob nicht eine künstliche Intelligenz Verfasserin seines Beitrags sei. Es wäre ein billiger Witz, „günstige intelligenz“ selbst durch einen Chatbot rezensieren lassen. Und ob der Piringers feinen Witz und sein Verständnis für Sprache zu würdigen wüsste?

Im Oktober 2022 war Jörg Piringer zu Gast im Kepler Salon, wo er Einblicke in seine „Datenpoesie“ bot und mit der Autorin (bzw. den Original Linzer Worten) über den doch noch nicht unmittelbar bevorstehenden Tod der schreibenden Menschen sprach. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung findet sich hier:

https://www.jku.at/kepler-salon/ereignisse/events/detail/news/kepler-salon-extra-ist-der-roboter-der-tod-der-literatur/

https://joerg.piringer.net/

Jörg Piringer: günstige intelligenz – hybride poetik und poetologie. Ritter Verlag, 208 S., 27 €

(Eine stark gekürzte Version dieser Rezension erscheint demnächst im Falter)

Sonntag, 29. Januar 2023

Zwischen den Jahren*

von Erich Klinger.

Ein ziemlich traumhaftes Jahr ist – endlich – vorüber. Meine zeitweilige Hoffnung, dass sich die nervige Knallerei diesmal auf die Silvester-Nacht beschränken würde, war schließlich fehl am Platz. Traumhaft war das Jahr 2022 mit Sicherheit für Rüstungskonzerne in allen Erdteilen, meinereins hat hingegen nur oft geträumt, zuletzt von gemeinsamer Arbeit in einem Kulturhaus mit meinem ehemaligen Radiokollegen Johannes, der noch den altertümlichen Brauch des Postkartenschreibens pflegt. 

Von Neujahrswünschen halte ich wenig, denn jenen Menschen, die mir wichtig sind und das sind in auch sehr großen Radien wahrgenommen nicht wenige, wünsche ich ungeachtet von Jahreswechsel und sonstigem Brauchtum gute oder zumindest weniger beschissene Zeiten und jenen, deren Wirken ich für den Großteil der Menschheit wenig segensreich erachte, kann ich unter Einhaltung humanistischer Grundlagen wohl auch nur lebenslange Krätze wünschen. 

Mir selbst „wünsche“ ich, dass mir mit weniger kraftraubenden Einbrüchen und vermeintlich harmlosen Ablenkungsversuchen besser gelingt, meine Vorhaben anzugehen und nach Möglichkeit umzusetzen. Und dabei auch mit weniger Frustration darüber hinwegzukommen, dass die Aussicht auf eine einigermaßen gut bezahlte und in erster Linie erfüllende und sinnvolle Tätigkeit mit jedem Tag schwindet, der den Zeitraum bis zum Erreichen des „Pensionsantrittsalters“ verkürzt. Aber immerhin kann ich als Positivum verbuchen, dass ich nach wie vor davon überzeugt bin, zu mehr befähigt zu sein als zum Büroboten oder zum Hüfstschak, wie ein mich einst begutachtender gut bezahlter Arbeitsmediziner befundete. 

Ich weiß, dass ich trotz teils massiver psychischer Probleme zu guter bis sehr guter Arbeit fähig bin, vor allem wenn ich entsprechenden Spielraum habe. Wer sich auf dem glatten Parkett der Tram-Train-Präsentation in Karlsruhe oder der Veranstaltung mit Erwin Riess zum Thema "Assistierter Suizid" bewiesen hat, hat zwar keinerlei Anlass zu Größenwahn, sollte aber auch ein gewisses Quantum an Selbstvertrauen mit in den Alltag nehmen.


Alltag und Beheizung der Wohnung: im letzten Begleittext habe ich darüber berichtet, dass nur ein Raum - die Wohnküche - beheizt werden kann, doch Aussicht auf Besserung durch etwaige rasche Reparatur des nicht funktionierenden Gas-Konvektors besteht. Der mit dem Gerät gut vertraute Fachmann stellte jedoch fest, dass das Thermo-Element defekt ist und ersetzt werden muss. Immerhin hat mir der Vermieter darauf hin am Folgetag ohne weitere Diskussion einen Elektrostrahler ausgehändigt, mit dem ich bis in die zweite Jännerhälfte auskommen werde. Oder auskommen muss, je nach Lesart. Bei der Ersatzteilbestellung ist nämlich etwas schief gelaufen, tja, der Kupferdraht war eindeutig zu kurz und die Bemühungen des Installateurs, die Sache noch vor Weihnachten zu erledigen, somit vergeblich.

Bei den aktuellen Außen-Temperaturen komme ich – trotz „Abkühlung“ um einige Grade - mit insgesamt sparsamem Einsatz des Gaskonvektors in der Wohnküche und des Elektrostrahlers im Arbeits- und Schlafraum durch, d.h. der Konvektor läuft zumeist auf Sparflamme und der Strahler ist nur zwischendurch im Einsatz. Die meiste Heizenergie verbrauche ich nach dem ausgiebigen Lüften der Wohnung in der Früh und im Laufe des Vormittages bzw. am späteren Nachmittag und Abend. Die Tuchent zur Selbsterwärmung und der Kälteschutz zur Wand hin reichen für die Nacht. 

Vom "klassischen" Winter ist von meinem Wohnturm aus derzeit nichts mehr zu sehen außer einiger dezenter Abgasfahnen an Schornsteinen von Häusern in der Nachbarschaft.



Zwischen Bahnhof Kefermarkt und der Bahnhaltestelle Lasberg-St. Oswald waren bereits wenige Tage vor Silvester nur mehr wenige Schneeflecken zu sehen, aber immerhin noch einige zu Eis gefrorene Pfützen am Feldweg entlang der Strecke der Summerauer Bahn. 

Besagte Bahnhaltestelle bezeugt erneut, dass bei Planung und tatsächlicher Adaption bestehender Haltestellen und Bahnhöfe mitunter praxisferne und kunden/kundinnenfeindliche Schreibtischtäter*innen am Werk sind. Und dies abgesehen von den Sicherheitsfanatikern und Fahrgastzahlzynikern, die Unterführungen ohne Aufzüge oder rollstuhl- und kinderwagentaugliche Rampen bauen lassen, wo ein ebener Zugang - über ein Gleis - zum neu ausgeführten Bahnsteig möglich gewesen wäre. Oder an umgebauten Bahnhöfen mit häufigen Umsteigebeziehungen zu Regionalbussen der gezählten Meinung sind, dass eine WC-Anlage nicht mehr nötig sei. 

Wie zumindest in OÖ und wahrscheinlich auch im benachbarten Südböhmen, Bayern und Waldviertel bekannt, ist es im Mühlviertel mitunter ziemlich „huschi“. Daher wäre es doch naheliegend gewesen, beim Umbau der Haltestelle Lasberg–St. Oswald eine Glaskonstruktion errichten zu lassen, die Schutz vor Wind und Regen bietet und "luxuriöser Weise" sogar eine Tür aufweist. Aber Schnecken: die beeindruckende Neukonstruktion bietet zwei bis maximal drei Fahrgästen geringstmöglichen Schutz und der Wind pfeift auch dort unten durch, wo Glaswände vorhanden sind. Hauptsache neu und praxistauglich für ein „Modernisierungsfoto“ mit zwei ÖBB-Planungsschakln und dem Landesrat. 

Die schon im rustikalen Vorgängerbau unerfreuliche Situation für Wartende bei Schlechtwetter (und Verspätungsfall) hat sich Dank der Kurzsichtigkeit der Planenden sogar noch verschlechtert, auch das muss man einmal zusammen bringen. 



Deutlich verschlechtert hat sich bereits mit Fahrplanwechsel am 11.12.2016 das Angebot bis und ab Lasberg-St.Oswald. Die bis dahin für einige Jahre – zum Leidwesen der České dráhy – in Österreich vor allem als Regionalzüge geführten Prager Züge wurden beschleunigt, nur zwei Halte in Lasberg-St. Oswald blieben über. Mit 15.12.2019 wurden die nunmehrigen REX zu ICs und am 13.12.2020 die Intercity-Züge zu Eurocity-Zügen aufgewertet. 

Zwei der Eurocity-Züge nach Praha bleiben spätnachmittags/frühabends in dieser Haltestelle stehen und fetten das Angebot für PendlerInnen und vor allem an Wochenenden für Linz-AusflüglerInnen auf. Richtung Linz sieht das Angebot jedoch seit gut 6 Jahren zwischen 7.27 und 19.27 so aus, wie die Haltestelle in ihrer Neugestaltung bezüglich stylischer Sparsamkeit deutlich macht: 4-Stunden-Takt mit elektronischer Abfahrtsanzeige in Echtzeit und Chris Lohners Sprachmodule, die im Verspätungsfall auch akustisch informieren. 

Und auch wenn es ein „Jahrhundertprojekt“ sein dürfte: die Abfahrtsanzeige um die Buskurse der nahe gelegenen Bushaltestelle „Lasberg-Siegelsdorf West“ zu erweitern, würde die Trostlosigkeit der Bahnhaltestelle doch etwas mindern. 

Die vom 5. bis 7. Jänner „klimaneutral“ stattgefundene Jänner-Rallye im Großraum Freistadt, die versorgungstechnisch raffiniert auch am Klinikum Freistadt vorbei führte, wurde nicht von allen mehr oder minder zwangsweise involvierten BewohnerInnen entlang der Strecke gut angenommen. Im Protestschreiben eines von der Rallye heimgesuchten Mühlviertlers an LH Stelzer – Verfasser des Vorwortes zum Rallyeprogramm - heißt es u.a.: „Der stark merkbare Effekt rund um dieses Spektakel: Wochen vorher und Monate nachher wird schon/noch "rallyemäßig" gefahren ...“.

Was nun, was tun? Es wird, dank Zersiedelung und mangels Raumordnung, die das Zerstückeln von Landstrichen vermeidet, außerhalb eigens dafür errichteter Territorien tatsächlich schwieriger, Motor“sport“veranstaltungen durchzuführen, die nicht durch Wohngebiete bzw. an Häusern vorbei führen. Ein kurzfristiges Umdenken im Sinne eines deutlichen Nachlassens der Begeisterung für Motor“sport“ und der Selbstverständlichkeit, in Sachen Mobilität alles dem Auto unterzuordnen, ist nicht zu erwarten und vor allem auch nicht erwünscht. Diese Verzahnung lässt die in Ernest Callenbachs 1975 erschienenen Roman „Ökotopia“ vorgefundene Vision, wonach Mobilität als Selbstzweck ohne Rücksicht auf Natur und Mensch keinerlei Bedeutung mehr hat, kaum umsetzbar erscheinen. 

Die Mitwirkung der renommierten Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb an der „Feronia“ genannten Kampagne für mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft – durchgeführt von OÖ Nachrichten, Land OÖ und Oberbank – legt den Verdacht nahe, hier würde vor allem auf Kosten Kromp-Kolbs „Greenwashing“ betrieben. Kromp-Kolb reizt ihre pragmatische Haltung, was der guten Sache noch vertretbar dienlich ist, sehr weit aus. 

Wer sich mit Hunden ins Bett legt, wird mit Flöhen aufwachen, übertragen auf die Jury von Feronia: wer zusammen mit Wirtschaftslandesrat Achleitner in einer Jury sitzt, die Nachhaltigkeit beurteilen soll, dürfte ein leichtes Glaubwürdigkeitsproblem bekommen. 


Etwa vor 8 bis 10 Jahren hatte der damalige Schulwart der Stelzhamerschule noch die Angewohnheit, um 6 Uhr früh mit dem Laubbläser das Schulareal zu umrunden. Thomas Pohl wohnte damals im Nachbarhaus und wir hatten beide unsere Wohnungen zur Schule hin ausgerichtet. Thomas war noch mehr verärgert über diese ohnedies unnötige Lärmerei als ich und dank einiger Interventionen, nicht nur von uns beiden, wurde dem stumpfsinnigen Treiben zumindest zur Frühzeit ein Ende gesetzt. 
Damals habe ich Thomas Tom Pohl noch regelmäßig gesehen, im Zuge nachbarschaftlicher Begegnungen. Als er aus der Coulinstraße weg zog und ich auch mit zunehmendem Alter weniger unter die Leute kam, habe ich Tom außer bei zufälligen Begegnungen in der Stadt noch am ehesten bei Theateraufführungen oder Veranstaltungen gesehen. 

Dass er kürzlich und bereits mit 55 Jahren gestorben ist, habe ich aus dem Nachruf im „Landeshauptblatt“ erfahren. Ein bunter Hund und feiner Kerl bereichert nicht mehr diese doch sehr kalt gewordene Welt. Und auch wenn es ein banaler Akt ist: bei nächster Gelegenheit spiele ich „Only the good die young“ von Billy Joel in Radio FRO auf Sendung.


Ebenfalls gestorben, wenn auch bereits im Vorjahr, sind die Frau Mumpelgeyer und einige Monate später auch der rote Kater aus meiner „Hausgeschichte“ (siehe X-Blatt Nr. 3, kleinkariertgelocht).
Es wäre fein, wenn mit dem bevorstehenden Einzug von Frau Mumpelgeyers Enkelin auch wieder ein Katzentier im Erdgeschoss, pardon: im Hochparterre, ein und ausgehen würde. 

Zu den Fotos:
Der einsame Waggon im Bahnhof Kefermarkt hat neue Fahrleitungsmasten geladen, die Zug um Zug gesetzt und vermutlich im Sommer mit der bestehenden Fahrleitung versehen werden. Eis- und Haltestellenfotos entstanden ebenfalls am 28.12. Krähen und Fahrleitungsmaststilleben wurden am 6.1.23 am Bahnhof Nettingsdorf aufgenommen.



Leider aktuelles P.S.: AnhängerInnen von Bolsonaro erstürmten das Regierungsviertel in Brasilia. Gewalttätige und Hirnvernagelte als heimtückische Mixtur. It was the president, stupid. 
Und in seiner Kriegsberichterstattung sendete der ORF in der ZIB Nacht am 8.1. Eindrücke nationalistischer Trauerkundgebungen aus der Ukraine, ganz im Sinne der westlichen Kriegsführung: Kampf bis zum Sieg gegen Russland, egal, wie viele noch sterben mögen. Frische Waffen hamma heut'...

Bisher habe ich meiner Schwester widersprochen, wenn sie in Telefonaten mit mir den US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden als „senil“ - im Sinne von geistigem Abbau im Alter – bezeichnete.  Die u.a. beim Jam in Joe's Garage (frei nach F. Zappa) gefundenen Geheimdokumente aus seiner Zeit als Vizepräsident machen allerdings auch mich stutzig, Mr. President are you often absent-minded? 

Now I'm gonna donate a part of my HCB to the Republicans, you know – go to the Schmied, not to the Schmiedl.


*Erweiterter Begleittext Fotos zur Anschauung und Erbauung XXIII vom 30.12.2022

Freitag, 13. Januar 2023

Anmerkungen zu einem Apropos

von Bernhard Hatmanstorfer


[Kasia] Boddy: Do you think you can identify a piece of writing as being by a woman?
[Kathy] Acker: No, I don’t at all. Partly what a novelist does is write in other voices. We don’t write ourselves.
Kathy Acker: The Last Interview, and Other Conversations. 
Edited (…) by Amy Scholder and Douglas A. Martin, Brooklyn 2018


    Judith Gruber-Rizy verweist in ihrem Blog-Beitrag „Apropos Literaturnobelpreis“ jüngst auf ein Faktum, dessen sich bewusst zu sein offenbar noch immer keinen Allgemeinplatz bildet: nämlich, dass die halbe Menschheit sich aus Frauen rekrutiert. 

    Doch Obacht in Zeiten, wo in auf Straßenbahngarnituren affichierten Personalausschreibungen die Kürzel „m/w/d“ aufscheinen, die Genderdebatte mittlerweile so etwas wie „Genderfluidität“ entdeckt haben will, das Changieren zwischen… – ja, was denn nun? –  und irgendwo bereits mehr als vierzig (!) verschiedene Geschlechter ausgemacht scheinen. Kann man es verstehen, dass da selbst eine ansonsten recht gefasste Philosophin wie Isolde Charim leicht hibbelig wird? Muss man sich die Menschen zur Zeitgenossenschaft des „Sachsenspiegels“ etwa als Verstörte denken, die sich darin in der Einteilung in Männer, Weiber, Zwergl und Zwitter vor den Kopf gestoßen fanden? Oder waren die Anno Tobak gar mit elementaren Problemen beschäftigt?

    Geschenkt, manche Überlegungen führen zu nichts! Zu nichts anderem als Schädelweh. Judith Gruber-Rizy macht zudem auf ein Dilemma aufmerksam, dem zu entkommen durch die Vergabe von Auszeichnungen keinem, wie paritätisch oder divers auch immer zusammengesetzten Komitee je gelingen kann: immer finden sich am Ende welche, die nicht ausgezeichnet werden, obwohl sie es doch ebenso verdient hätten. Nicht nur, dass die Nobelpreisliste zu wenig Frauen ausweist, zu wenig People of Color, ist auch eine bestimmte Weltsprache überrepräsentiert und finden sich gewisse Literaturtraditionen überhaupt nicht prämiiert. 

    Soll es auch nicht die deklarierte Absicht Helmut Qualtingers gewesen sein, eine Lanze für die einst so bezeichnete „Exotenliteratur“ zu brechen, als er weiland in der Aufmachung des fiktiven Eskimodichters Kobuk am Wiener Westbahnhof aus dem Zug stieg, so mag sich doch in seiner Aktion jene Weisheit erhellen, die einst in folgende Worte gegossen wurde: Übersicht gewinnt nur, wer vieles übersieht.

    „Handgranaten-Herbert“, der als K. H. Scheer zusammen mit Kompagnon Walter Ernsting, vulgo: Clark Darlton, brillierende, bisweilen brüskierende deutsche Science-Fiction-Autor, ließ deutlich vor seinem Ableben mit der launigen Bemerkung aufhorchen, er habe die Hoffnung auf Zuerkennung des Literaturnobelpreises aufgegeben. Dass englische Buchmacher regelmäßig Wetten annehmen vor Bekanntgabe des oder der Geehrten, nämlich auch Wetten darüber, wer ihn diesmal wieder nicht bekommt, kann im Hyper-Kapitalismus des Hochfrequenzhandels, wo man auf Kursverluste setzend, Gewinne realisiert, schon gar nicht mehr verwundern. 

    Findet sich in anderen Zusammenhängen die Konstellation einer gerechteren Verteilung verwirklicht? Mitnichten. Der Pritzker-Preis zum Beispiel, seit Ende der 1970er Jahre an Größen der Architektur vergeben, ehrte erst 2004 mit Zaha Hadid erstmals eine Frau, und eine Weile später mit Sejima Kazuyo, der einen Hälfte des kongenialen Duos SANAA, 2010 die nächste. Der Grawemeyer-Award, seit 1985 dotiert, zeichnete in der Kategorie „Musikkomposition“ bereits 1990 mit Joan Tower eine Frau aus. Es folgten 2003 die Finnin Kaija Saariaho und 2004 die in Berlin lebende Koreanerin Chin Un-suk. (2022 wurde bekanntlich Olga Neuwirth mit dem Preis bedacht.) Der ebenso renommierte Hugo Gernsback Award, je nach Sichtweise ab 1939 oder 1953 erstmals vergeben, zeichnete erst 1970 in der Kategorie „Best Novel“ eine Frau aus, die unvergessene Ursula K. Le Guin. Beim Nebula Award verhielt es sich nur ein kleinwenig besser. 1966 erstmals ausgeschrieben, gewann ihn 1972 mit Katherine MacLean eine Autorin. 1977 James Tiptree, Jr. – wie jede(r) weiß, die/der einschlägig beschlagen ist, ein Pseudonym, der neben Le Guin wohl einflussreichsten Vertreterin dieses Genres! 

    Darüber, was das Geschlechterverhältnis bei Vergabe des Pulitzer-Preises angeht, mögen Vermutungen angestellt werden, mir fehlt inzwischen die Übersicht. Fest steht, die Fields-Medaille hat 2022 mit der Ukrainerin Maryna Viazovska erstmals eine Frau zuerkannt bekommen. Und der Turner Prize, der seit 1984 an vierzig Kunstschaffende, bzw. Kollektive erging, zeichnete bisher immerhin zehn Frauen aus.

    Das alles bildet eine Wirklichkeit ab, die freilich so nicht Wirklichkeit bleiben muss und gewiss nicht bleiben wird.               

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Apropos Literaturnobelpreis

von Judith Gruber-Rizy


Es ist bereits der 119. Nobelpreis für Literatur, der heuer an die Schriftstellerin Annie Ernaux vergeben wurde. Die Begründung der schwedischen Akademie für diese höchste Auszeichnung, die der Französin zuteil wird, ist wie immer knapp: „Für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Fesseln der persönlichen Erinnerungen aufdeckt“. 

Seit 1901 gibt es den Literaturnobelpreis, der allererste wurde an den Franzosen Sully Prudhomme (1839 – 1907) vergeben. Als erste Frau wurde 1909 die Schwedin Selma Lagerlöf damit ausgezeichnet. Womit klar war, dass diese Auszeichnung nicht nur für Männer gedacht war. Aber – von den insgesamt 119 Literatur Nobelpreisen wurden 102 an Männer überreicht und nur 17 (da ist Annie Ernaux bereits mitgerechnet) an Frauen. Also 85,7 % zu 14,3 %. 

Schon die Begründung der Preisvergabe an Selma Lagerlöf ist vielsagend: „Aufgrund des edlen Idealismus, des Phantasiereichtums und der seelenvollen Darstellung, die ihre Dichtung prägen“. Bei Rudyard Kipling, der zwei Jahre vor Lagerlöf den Nobelpreis bekam, klingt die Begründung ganz anders: „In Anerkennung der Beobachtungsgabe, der ursprünglichen Einbildungskraft sowie der männlichen Stärke in Auffassung und Schilderungskunst, die die Schöpfungen dieses weltberühmten Schriftstellers auszeichnen.“ Männliche Stärke im Gegensatz zur seelenvollen Darstellung also. 

Auch bei der zweiten Frau, die 1926 den Literaturnobelpreis verliehen bekam, bei der Italienerin Grazia Deledda, sagt die Begründung viel darüber aus, wie das schwedische Nobelpreis-Komitee dachte: „Für ihre von hohem Idealismus getragene Verfasserschaft, die mit Anschaulichkeit und Klarheit das Leben ihrer väterlichen Herkunft schildert und allgemeinmenschliche Probleme mit Tiefe und Wärme behandelt.“

Dass bereits zwei Jahre nach Grazia Deledda wieder eine Frau ausgezeichnet wurde, diesmal die Norwegerin Sigrid Undset, überrascht. Dann allerdings vergingen zehn Jahr bis 1938 Pearl S. (Sydenstricker) Buck aus den USA, die aber vorwiegend in China gelebt hatte, den Preis „für ihre reichen und echten epischen Schilderungen aus dem chinesischen Bauernleben und ihre biographischen Meisterwerke“ bekam. Allerdings ist ausgerechnet diese Preisvergabe wahrscheinlich die literarisch umstrittenste in der Nobelpreisgeschichte (bei Peter Handke war es ja nicht literarische Kritik sondern die Kritik seiner politischen Haltung). Kritiker erklärten ihre Werke für literarisch wertlos, ja schlichtweg für Trivialliteratur und Pearl S. Buck daher eigentlich als dieser hohen Auszeichnung für unwürdig. Man mag nun über die Romane der vielgelesenen Pearl S. Buck geteilter Meinung sein, die Frage jedoch, ob man über einen männlichen Nobelpreisträger ebenso hart geurteilt hätte, sollte doch erlaubt sein. 

Nur 2 Männer später (während des 2. Weltkriegs  wurde der Nobelpreis vier Jahre lang nicht vergeben) bekam die Chilenin Gabriela Mistral im Jahr 1945 den Literatur Nobelpreis. Dann war lange Pause für die Schriftstellerinnen, zwanzig Jahre lang wurden nur Männer mit dem Preis geehrt. Erst 1966 kam wieder eine Frau zum Zug, Nelly Sachs aus Schweden, die sich allerdings den Preis mit dem Israeli Samuel Agnon teilen musste. Wer jetzt gehofft hatte, dass das Nobelpreis-Komitee endlich mehr Frauen berücksichtigen sollte, wurde schmählich enttäuscht, denn es dauerte schließlich sogar 25 Jahre bis 1991 die weiße Südafrikanerin Nadine Gordimer den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam. 

Nach Nadine Gordimer aber kam endlich der Umschwung und schon zwei Jahre später, 1993, wurde die US-Amerikanerin Tony Morrison, als erste nicht weiße Frau, ausgezeichnet. Es folgten 1996 die Polin Wislawa Szymborska, 2004 Elfriede Jelinek, 2007 Doris Lessing (Großbritannien), 2009 Herta Müller (Rumänien/Deutschland), 2013 Alice Munro (Kanada), 2015 Swetlana Alexijewitsch (Belarus), 2018 Olga Tokarczuk (Polen) und nun 2022 Annie Ernaux. 

So steht es jetzt im Literaturpreis-Ranking im Jahr 2022 endlich 102 Männer zu 17 Frauen. Niemand wird annehmen, dass Frauen eben schlechter schreiben als Männer, dass überhaupt weniger Frauen als Männer schreiben. Nein, es gibt keine sachliche, keine auf literarischen Qualitätskriterien basierende Begründung dafür, dass so viel mehr Männer den höchsten Literaturpreis, den es auf der Welt gibt, verdient hätten als Frauen. Es ist ganz einfach Benachteiligung von Schriftstellerinnen/Dichterinnen, ein Übersehen von Frauen in diesem Bereich, das sich von ganz unten bis ganz hinauf zum Nobelpreis-Komitee durchzieht. 

Übrigens, damit die Frauen beim Literatur Nobelpreis mit den Männern gleichziehen könnten, dürfte in den nächsten 85 Jahren der Preis ausschließlich an Frauen vergeben werden. Dann würde es im Jahr 2107 endlich 102 zu 102 stehen. 


Montag, 12. Dezember 2022

Land. Kind. Pandemie. Das zweite Jahr. (2022)

 

Das ist kein Jahresrückblick, auch kein halber, ABER:

 

Zuerst habe ich aufgehört mich zu schminken. Ich habe auch versucht, nicht mehr jeden Tag zu duschen und meine Haare weniger oft zu waschen, aber davon bin ich wieder abgekommen. Ich habe die Haare dann kurz schneiden lassen. Das mit der Brille habe ich nicht geschafft, aber ich habe angefangen, meine Kontaktlinsen mit der Reinigungslotion zu bearbeiten und die Aufbewahrungslösung jeden Tag zu erneuern. Ich bemühe mich, etwas anderes als eine Jogginghose anzuziehen und die trockenen Hautstellen mehrmals täglich einzucremen. Wenn es juckt, bemühe ich mich, nicht zu fest zu kratzen. Obwohl ich nie lächle, erscheinen die ersten Falten um meinen Mund. Ich habe eine Anti-Aging Creme gekauft. Ich habe ein Auto gekauft. Ich habe ein E-Bike gekauft. Ich habe ein Klima-Ticket gekauft. Ich habe ein neues Handy gekauft, weil das alte zu alt war, um das Betriebssystem zu aktualisieren und eine Aktualisierung des Betriebssystems nötig ist, um diverse Apps nutzen zu müssen, und ohne gewisse Apps vieles unmöglich ist, zum Beispiel ein Zugriff auf mein Bankkonto. Ich schaue aber nicht mehr oft aufs Handy. Auch den Computer schalte ich immer seltener ein. Manchmal überlege ich, mich von allen Social Media-Plattformen abzumelden. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich kaum noch Alkohol trinke und dass ich häufig vergesse zu rauchen. Ich glaube, ich esse normal, aber ich erinnere mich, dass ich früher oft große Lust auf Salat hatte, ich erinnere mich, dass früher oft Speichelfluss eingesetzt hat, wenn ich nur an bestimmtes Essen gedacht habe, ich erinnere mich, dass ich früher überhaupt leicht feucht geworden bin. Ich wundere mich, wie viel Begehren ich früher empfunden habe. Ich frage mich, ob meine Haare nur langsam oder gar nicht mehr wachsen. Natürlich habe ich seit zwei Jahren keine Nacht durchgeschlafen. Natürlich ist es eine Aufgabe. Natürlich ist jede erschöpft. Natürlich haben andere Eltern auch keine Paarbeziehung mehr. Natürlich habe ich mir das so ausgesucht. Natürlich ist es auch ein strukturelles, ein gesellschaftliches, ein politisches Problem. Natürlich kann es auch mit dem gestörten Geruchssinn zusammenhängen und mit irgendwelchen Hormonen. Natürlich könnte ich wegfahren. Natürlich sind das Luxusprobleme. Natürlich gibt es immer ein Lösung. Ich lese noch. Auf social media lese ich zum Beispiel, dass die Auswirkungen von Mutterschaft den Symptomen einer Depression gleichen. Im Text von Ana Marwan, der den Bachmannpreis gewinnt, bleibe ich hängen am Satz: Wie würde ich leben, würde ich leben? Ich weine bei dem Teil über das fiktive Kind: Ich stelle mir vor, ich habe vergessen, dass ich mich schon kurz vor ihm aufgegeben habe. Natürlich war ich schon immer rührselig. Ich stelle mir vor, ich hätte diesen Text geschrieben, ich stelle mir vor, ich hätte geschrieben, stelle mir vor, ich würde schreiben, stelle mir vor, ich würde die richtigen Wörter finden. Ich finde nur einen toten Vogel vor der Haustür. Ich lese The bell jar von Sylvia Plath, blank and stopped as a dead baby, the world itself was the bad dream. Ich nehme mir vor, nur mehr auf Englisch zu lesen, da es so weniger besorgniserregend scheint, dass ich mir der Bedeutung der Wörter nicht mehr sicher bin. Ich sage noch immer nicht griaß di, aber es gibt auch immer weniger Anlässe. Vor kurzem sagte ein junger Autor zu mir, wer nur eine Stunde pro Tag schreibt, ist selber schuld. Dann bin ich auf unserem Grundstück in ein Loch gefallen. Kein Erdloch, eher ein Wurmloch. Seitdem erinnere ich mich wieder an meine Träume. Seitdem habe ich Flashbacks aus meinem Leben. Zeitgleich haben die Ameisen einen Weg ins Haus gefunden. Ich sauge sie mit dem Handstaubsauger ein. Manchmal frage ich mich, wie ich mich an mein ungeschminktes Gesicht gewöhnen konnte. Man sagt mir, ich soll mich auf das konzentrieren, was mich lebendig hält. Ich werde nicht anfangen Gemüse anzubauen, aber ich möchte die Bäume retten, die wir gepflanzt haben. Der Mann wird den Geburtstagskuchen für das Kind backen. Ich pflücke schwarze Ribisel und versuche wieder zu schreiben.

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