Dienstag, 30. Juli 2019

Demo-Fest am 12. September - Kultur für mehr Demokratie

Es ist uns eine Ehre, die Schirmherrschaft über die nächste Donnerstagsdemo in Linz zu übernehmen - am 12. September laden wir zu literarischen Interventionen und musikalischen Beiträgen auf das Urfahraner Steinmetzplatzl! 
Die echte Alternative zum Wahlkampf.



Die Landesliteraturschule. Eine freundliche Utopie

Von Dominika Meindl

Utopien haben den Vorteil, dass sie nichts kosten. Und das ist viel wert, wenn das Geld knapp gehalten wird. Wenn der Staat spart, um neue Autobahnen und Umfahrungen zu bauen. Wir laden zu einer Gratis-Reise, noch dazu klimaneutral, weil virtuell - nur in Gedanken. 

Sprache ist der Grundvollzug des In-der-Welt-Seins. Es ist nicht verwegen zu behaupten, dass Schriftstellerinnen und Autoren sich besonders gern mit ihr auseinandersetzen (weswegen sie nicht automatisch lieber in der Welt sind, aber vielleicht doch) - sie lieben die Sprache, und sie lieben damit wohl auch die deutsche Sprache. Hier geraten sie in eine merkwürdige Opposition zu Politikern, deren Liebe zu Deutsch so weit geht, dass sie Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse die Wohnbeihilfe streichen und an den Schulen alle anderen Sprachen verbieten wollen. Bevor es hier zu polemisch wird (es war die Rede von einer freundlichen Utopie): Auch die Autorinnen und Autoren Oberösterreichs sind für Deutsch an der Schule. Und zwar für sehr, sehr viel mehr. Deswegen den Kindern zu untersagen, in den Pausen Türkisch, Serbisch, Arabisch oder Farsi zu sprechen, kommt ihnen nicht in den Sinn - viele der Schreibenden haben studiert und wissen, dass der Erwerb einer neuen Sprache auf der Kompetenz der Muttersprache beruht. 



Der Großteil des Kulturbudgets des Landes Oberösterreich (2015 74,4 Mio €) kommt dem Landesmusikschulwesen zugute. Angesichts zurückgezogener Investitionen in anderen Kultur-Sparten läge es nahe, darauf mit Neid zu reagieren. Doch die Vorteile und Erfolge dieser bedeutenden Institution sind offensichtlich: NeurologInnen verweisen auf die große Bedeutung der Musikerziehung. Viele der ehemaligen MusikschülerInnen liefern heute relevante Beiträge zum aktuellen heimischen Pop-Boom. Viele der Lehrenden können dank des Unterrichts am Nachmittag ihre eigene künstlerische Arbeit voranbringen und ihre Existenz sichern.

Das Bildungssystem muss sehr bald und umfassend reformiert werden. Mehr als elf Prozent der 15- bis 29-Jährigen sind weder in einer Ausbildung noch berufstätig. Rund 300.000 ÖstereicherInnen sind von funktionalem Analphabetismus betroffen (die Dunkelziffer liegt höher). Die Wirtschaft klagt über Lehrlings- und Fachkräftemangel. Der Mangel an LehrerInnen erreicht 2019 einen Höhepunkt, besonders Deutsch ist als Unterrichtsfach gefragt.
SchriftstellerInnen müssen zur Kenntnis nehmen, dass Literatur nur noch als Hobby engagierter Lehrkräfte vermittelt wird. Programme wie "Kukusch" oder "macht/schule/theater", die der Vermittlung von Kunst und Kultur an den Schulen dienten, wurden in den vergangenen Jahren gestrichen. 

Um nun aber wirklich zum freundlichen Entwurf zu kommen: Wir denken über eine Ausweitung des erfolgreichen oberösterreichischen Landesmusikschulwerks auf andere Sparten nach. Ob man dafür weitere 75 Millionen investieren müsste? Wahrscheinlich nicht. Andererseits: So erschreckend viel wäre das gar nicht (etwa angesichts der Kosten für den Westring)...

Wir denken an ein engmaschiges, dezentrales Bildungssystem, das Kindern nach der Schule die verschiedensten Spielarten der Literatur näherbringt. Für wenig Geld, sodass alle Mädchen und Buben, unabhängig vom Einkommen der Eltern, während der gesamten Schulzeit von versierten Fachleuten zusätzliche Förderung im Denken, Lesen, Schreiben, Dichten, Philosophieren bekommen. 
Wir denken an Deutschförderkurse, an Creative-Writing-Kurse, an Präsentationstechniken, an Poetry Slams, Gedichte, Songtexte, Reportagen, an die Förderung kritischen Medienkonsums. Wir denken an eine höchst wirksame Maßnahme gegen digitale Demenz und sekundären Analphabetismus. 

Wir denken an die Schönheit der Sprache und an die Freude, mit ihr zu spielen und dies Kindern zu vermitteln.

GedichteGedichteGedichte. Die erste Nummer des Literaturhefts „X-Blatt"

Von Renate Silberer 

Ein Gedicht und eine Tasse Kaffee zum Frühstück sind ein wunderbarer Start in den Tag. Denn ein Gedicht kann so vieles: Es inspiriert oder ermöglicht neue, bisher fremde Blickwinkel zu erkunden, es kann das Denken verändern. Wir können uns an einem Gedicht abarbeiten, es darf uns verwirren oder zu uns sprechen. Eine ganze Welt kann in ihm zum Vorschein kommen.
In Buchhandlungen werden Gedichtbände oft vernachlässigt und Lyrikerinnen und Lyriker mit ihren neuesten Bänden sehr selten an prominenter Stelle präsentiert.
Doch seit Mai 2019 ist es möglich, das kleine, feine Gedichtheft – die erste Nummer der Reihe X-Blatt, herausgegeben von Kurt Mitterndorfer und Herbert Christian Stöger – im Lokal „Exxtrablatt“ in Linz zu dem sehr überschaubaren Preis von €1,- zu erwerben. Der „Textautomat“, der zuvor ein Ort für Mannerschnitten war, beherbergt das „X-Blatt“ und ermöglicht so einen wunderbaren und niederschwelligen Zugang zur heimischen Literatur.
15 Autorinnen und Autoren, vorwiegend aus Oberösterreich, gilt es mit ihren Gedichten zu entdecken: So begeben wir uns in einem der Gedichte auf eine Reise nach Indien, in einem anderen finden wir uns in einem Hotelzimmer wieder, wir schauen zum Mond, dann in einen Abfalleimer. Wir sind barfuß oder in einem Supermarkt, werden Hochseilakrobaten, treffen auf Tiere und den Anfang, auf Archäologen und eine Mimose, verhandeln Worte und Dinge, begegnen der Nacht, aber auch einem Hofnarren, beschreiben Stoffe und Wahrheiten, machen einen Osterspaziergang oder sind zu Gast bei Bienen, und all das „ruhig atmend in diesem Irgendwoinderwelt“ (Hans Eichhorn).
Das Gedichtheft ist ein angenehmer Begleiter, sei es zum Kaffee am Morgen, während einer Zugfahrt oder am See. Es passt dank des kleinen Formats in jede Hosentasche oder Handtasche und versammelt Gedichte von René Bauer, Hans Eichhorn, Erwin Einzinger, Johann Kleemayr, Robert Kleindienst, Till Mairhofer, Kurt Mitterndorfer, Ines Oppitz, Wally Rettenbacher, Stephan Roiss, Herbert Christian Stöger, Elisabeth Strasser, Monika Vasik und Richard Wall. Die nicht minder anregenden Comics von Christoph Raffetseder verhandeln Globalisierung und Popkultur.

Ficken mit dem Klassenfeind. Walter Josef Kohl

Foto: Dieter Decker Rezension von Dominika Meindl  „ Bei all der sozialen Aufsteigerei, beim sich Emporarbeiten von ganz unten, vom dörfl...