Dienstag, 21. Februar 2023

Arbeiten, wo andere Urlaub machen

 


Altaussee ist ein interessanter Ort. Auf der einen Seite gehören die Straßen den dicken Geländewagen mit Schweizer Kennzeichen und in einem nur scheinbar bodenständigen Dorflokal gibt es Wagyu für ein halbes Vermögen, auf der anderen Seite wird viel Wert auf Tradition gelegt. Noch nie habe ich so viele Plakate für Faschingsfeiern, Schützenfeste, Trachtenbälle und Blasmusik gesehen wie in den Ausseer Schaukästen. Die Architektur ist malerisch bis kitschig, Häuser mit Holzfassaden und geschnitzten Veranden. Dahinter Berge, davor: Parkplätze. Selbst bei Minusgraden rutschen nicht nur die Einheimischen über den eisigen Seerundweg, Tourist*innen überall.  Man kann sich vorstellen, wie die Massen der Ausflügler im Sommer den kleinen Ort regelrecht verschlucken. In der Trafik wird auch jetzt im Winter neben Bild und Krone die Financial Times verkauft. Es gibt ein Literaturmuseum und einen Künstler*innen-Themenwanderweg, die „Via Artis“. Von dort weiß ich, dass schon Friedrich Torberg im Ausseerland leben wollte, aber an den Immobilienpreisen scheiterte. Es ist also nicht nur landschaftlich, sondern auch soziokulturell interessant dort, man kann gut beobachten. Einmal habe ich eine halb gerauchte Cohiba-Zigarre auf der Straße gefunden, Ideen für neue Texte öfter.

 

Warum erzähle ich das alles? Warum diese Beobachtungen über ein kleines Dorf am See, an der (sprachlichen) Grenze zwischen Oberösterreich und der Steiermark?

Ich komme gerade von einem zweiwöchigen Schreibaufenthalt im Atelier der Literar Mechana, von dem ich erzählen möchte. Es befindet sich in einem Mehrfamilienhaus direkt am See und bietet mehrere Arbeitsplätze. Am liebsten saß ich in der Küche oder auf der Veranda, von der man den besten Blick auf den See hat. Die Wohnung ist gut eingerichtet, gemütlich, das Wohnzimmer ist voller Bücher und in der Küche kann man tatsächlich kochen (was ja in Ferienwohnungen nicht immer der Fall ist).

 






Vor dem Fenster ist eine Badewiese, vielleicht ist es deshalb im Sommer nicht so leise wie jetzt. Ich hatte zwei Wochen absolute Ruhe. Ein schönes, entspanntes Arbeiten, das einen tiefen Fokus ermöglicht hat. Ich habe dort ein neues Kurzprosatext fertiggestellt und lektoriert, zwei kleinere Artikel geschrieben und einen Essay aus dem Vorjahr überarbeitet - eine sehr produktive Zeit also. Schreiben mit Blick auf Wasser und Berge, auf den Dachsteingletscher und Graugänse, Blässhühner und Enten als Kamerad*innen, so toll.  Und nach der Arbeit ein Spaziergang um den See (7,5 km) ...

Partner*innen und Kinder dürfen in die Wohnung mitkommen, Tiere nicht. Die Bewerbung fürs kommende Jahr muss bis September bei der Literar Mechana einlangen (Infos hier).

Ein Atelieraufenthalt, den ich allen Kolleg*innen wirklich sehr ans Herz legen kann.





 

Dienstag, 14. Februar 2023

Termine

2023

MÄRZ

16. März: 19.30 - 23.00 Uhr. Lange Nacht der GAV OÖ

21. April, Freitag, 19 Uhr, Strandgut: Frauenstimmen. Moderation und Organisation: Elisabeth Strasser. Mit Marlene Gölz, Lisa-Viktoria Niederberger und Karin Peschka

9. Mai, Stifterhaus, 19:30 Uhr: Jubiläumsfeier anlässlich des 50ers der GAV

22. Juni, Stifterhaus: „Lyrik & Jazz“, organisiert von Judith Gruber-Rizy. Mit . Musik: Rudi Habringer (Piano) und Franz Prandstätter (Saxophon).

 

Noch ohne Termin: 

Buchmacher“. Organisiert von Herbert Christian Stöger

Volatil“. Organisiert von Herbert Christian Stöger

3x3“-Lesungen im Eferdinger Gastzimmer, organisiert von Marianne Jungmaier und Karin Peschka.

19:30, Stifterhaus „Was wir lesen“, organisiert von Erich Wimmer. Es stellen vor: Musik: Valentina Pirklbauer

3x3“-Lesungen im Eferdinger Gastzimmer, organisiert von Marianne Jungmaier und Karin Peschka

Literatur im Flößerhaus zum Thema „Schreiben“, organisiert von Johann Kleemayr und Sybille Gandler.

X-Batt-Lesung, organisiert von Herbert Christian Stöger und Kurt Mitterndorfer

5. Dezember: Buchpräsentation Richard Wall, zwei Tage vor seinem 70er

Dezember: Apfent, Apfent 8.0Traditionelle Weihnachtslesung und GAV-OÖ-Feier im Strandgut. Es lesen Rudi Habringer, Walter Kohl, Dominika Meindl und Kurt Mitterndorfer. Organisiert von Dominika Meindl

Radiosendungen auf Radio FRO:

POETIC ACT von Wally Rettenbacher:

Aus der Reihe „Nachspann“ von Erich Klinger


Dienstag, 7. Februar 2023

Ist der Roboter der Tod der Autorin?

Eine Rezension von Jörg Piringers "günstige intelligenz" 

Von Dominika Meindl

Spuckten automatische Schreib-Bots bis vor kurzem höchstens unfreiwillig komische Texte aus, klingt der Output mittlerweile im besten Fall nach experimenteller Lyrik. Im vergangenen Herbst fuhr das künstliche neuronale Netzwerk ChatGTP wie ein kleiner Herbststurm ins Feuilleton. Wenige Wochen zuvor hat Jörg Piringer sein literarisches Spiel mit künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Für 5,60 Dollar kauft er sich OpenAI: Nicht um zu beweisen, als Autor unersetzlich zu sein, sondern um den allerersten Versuch einer „zusammenarbeitspoetik zwischen natürlicher und künstlicher intelligenz“ zu wagen und die „rohen fähigkeiten des systems zu erforschen“. OpenAI kommt als logikbasierte Maschine mit unvollständigem Wissen so viel weniger gut zurecht als der menschliche Verstand. Das Programm, so findet er heraus, hätte ungefähr einen IQ von 60. Piringer füttert es etwa mit der an Queneaus „Stilübungen“ angelehnten Anweisung, über ein künstliches Gedicht in Stil Donald Trumps, eines Verrisses, Peter Handkes oder eines Glückskeksspruches zu schreiben. Die Ergebnisse sind manchmal fad, manchmal erschreckend gelungen. Schön ist, dass es an der Aufgabe „schreibe ein rassistisches gedicht“ ziemlich klar scheitert: „Nicht-weiße Menschen haben oft / so schlechte Haut“.

günstige intelligenz“ ist nicht nur Spielerei mit den Möglichkeiten, es stellt die großen Fragen nach Autorschaft, Kreativität und Bewusstsein.

jörg piringer ist der autor dieses textes

er klickte so lange mit der maus

bis es ihm gefiel

kann man das autorschaft nennen

oder sollte nicht eher

mausklicker: jörg piringer

dort stehen

oder kurator

[…]

bin ich der autor meiner texte

und wenn ja

wie viele“


Nicht zu vergessen die Frage nach der Macht, also danach, welche Konzerne die Programme nach intransparenten Methoden trainieren. Gerade deswegen müsse man sich den Bots auseinandersetzen.

ich habe wenig einfluss darauf

aber ich will versuchen

zu verstehen

mitzudenken

künstlerisch mitzuforschen

um nicht den konzernen

den profitgetriebenen Institutionen

die definitions- und denkmacht zu überlassen“


©ESEL Lorenz Seidler

Der 1974 in Wien geborene Jörg Piringer, Vorstandsmitglied der GAV, ist auf allen Ebenen zwischen Sprachkunst, Musik, Performance und poetischer Software unterwegs. Er hat Informatik studiert und ist sowohl Gründungsmitglied des „Gemüseorchesters“ als auch des „Instituts für transakustische Forschung“ und der „Pataphysischen Gesellschaft Wien“. Er unterrichtet an der sfd.

Piringer hat schon 2020 die Jury des Bachmann-Wettbewerbs verunsichert, ob nicht eine künstliche Intelligenz Verfasserin seines Beitrags sei. Es wäre ein billiger Witz, „günstige intelligenz“ selbst durch einen Chatbot rezensieren lassen. Und ob der Piringers feinen Witz und sein Verständnis für Sprache zu würdigen wüsste?

Im Oktober 2022 war Jörg Piringer zu Gast im Kepler Salon, wo er Einblicke in seine „Datenpoesie“ bot und mit der Autorin (bzw. den Original Linzer Worten) über den doch noch nicht unmittelbar bevorstehenden Tod der schreibenden Menschen sprach. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung findet sich hier:

https://www.jku.at/kepler-salon/ereignisse/events/detail/news/kepler-salon-extra-ist-der-roboter-der-tod-der-literatur/

https://joerg.piringer.net/

Jörg Piringer: günstige intelligenz – hybride poetik und poetologie. Ritter Verlag, 208 S., 27 €

(Eine stark gekürzte Version dieser Rezension erscheint demnächst im Falter)

Ficken mit dem Klassenfeind. Walter Josef Kohl

Foto: Dieter Decker Rezension von Dominika Meindl  „ Bei all der sozialen Aufsteigerei, beim sich Emporarbeiten von ganz unten, vom dörfl...