Altaussee ist ein interessanter Ort. Auf der einen Seite gehören die Straßen den dicken Geländewagen mit Schweizer Kennzeichen und in einem nur scheinbar bodenständigen Dorflokal gibt es Wagyu für ein halbes Vermögen, auf der anderen Seite wird viel Wert auf Tradition gelegt. Noch nie habe ich so viele Plakate für Faschingsfeiern, Schützenfeste, Trachtenbälle und Blasmusik gesehen wie in den Ausseer Schaukästen. Die Architektur ist malerisch bis kitschig, Häuser mit Holzfassaden und geschnitzten Veranden. Dahinter Berge, davor: Parkplätze. Selbst bei Minusgraden rutschen nicht nur die Einheimischen über den eisigen Seerundweg, Tourist*innen überall. Man kann sich vorstellen, wie die Massen der Ausflügler im Sommer den kleinen Ort regelrecht verschlucken. In der Trafik wird auch jetzt im Winter neben Bild und Krone die Financial Times verkauft. Es gibt ein Literaturmuseum und einen Künstler*innen-Themenwanderweg, die „Via Artis“. Von dort weiß ich, dass schon Friedrich Torberg im Ausseerland leben wollte, aber an den Immobilienpreisen scheiterte. Es ist also nicht nur landschaftlich, sondern auch soziokulturell interessant dort, man kann gut beobachten. Einmal habe ich eine halb gerauchte Cohiba-Zigarre auf der Straße gefunden, Ideen für neue Texte öfter.
Warum erzähle ich das alles? Warum diese Beobachtungen über ein kleines
Dorf am See, an der (sprachlichen) Grenze zwischen Oberösterreich und der
Steiermark?
Ich komme gerade von einem zweiwöchigen Schreibaufenthalt im Atelier der
Literar Mechana, von dem ich erzählen möchte. Es befindet sich in einem
Mehrfamilienhaus direkt am See und bietet mehrere Arbeitsplätze. Am liebsten
saß ich in der Küche oder auf der Veranda, von der man den besten Blick auf den
See hat. Die Wohnung ist gut eingerichtet, gemütlich, das Wohnzimmer ist voller
Bücher und in der Küche kann man tatsächlich kochen (was ja in Ferienwohnungen
nicht immer der Fall ist).
Vor dem Fenster ist eine Badewiese, vielleicht ist es deshalb im Sommer nicht so leise wie jetzt. Ich hatte zwei Wochen absolute Ruhe. Ein schönes, entspanntes Arbeiten, das einen tiefen Fokus ermöglicht hat. Ich habe dort ein neues Kurzprosatext fertiggestellt und lektoriert, zwei kleinere Artikel geschrieben und einen Essay aus dem Vorjahr überarbeitet - eine sehr produktive Zeit also. Schreiben mit Blick auf Wasser und Berge, auf den Dachsteingletscher und Graugänse, Blässhühner und Enten als Kamerad*innen, so toll. Und nach der Arbeit ein Spaziergang um den See (7,5 km) ...
Partner*innen und Kinder dürfen in die Wohnung mitkommen, Tiere nicht. Die Bewerbung fürs kommende Jahr muss bis September bei der Literar Mechana einlangen (Infos hier).
Ein Atelieraufenthalt, den ich allen Kolleg*innen wirklich sehr ans Herz legen kann.
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