Eine Rezension von Jörg Piringers "günstige intelligenz"
Von Dominika Meindl
Spuckten automatische Schreib-Bots bis vor kurzem höchstens unfreiwillig komische Texte aus, klingt der Output mittlerweile im besten Fall nach experimenteller Lyrik. Im vergangenen Herbst fuhr das künstliche neuronale Netzwerk ChatGTP wie ein kleiner Herbststurm ins Feuilleton. Wenige Wochen zuvor hat Jörg Piringer sein literarisches Spiel mit künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Für 5,60 Dollar kauft er sich OpenAI: Nicht um zu beweisen, als Autor unersetzlich zu sein, sondern um den allerersten Versuch einer „zusammenarbeitspoetik zwischen natürlicher und künstlicher intelligenz“ zu wagen und die „rohen fähigkeiten des systems zu erforschen“. OpenAI kommt als logikbasierte Maschine mit unvollständigem Wissen so viel weniger gut zurecht als der menschliche Verstand. Das Programm, so findet er heraus, hätte ungefähr einen IQ von 60. Piringer füttert es etwa mit der an Queneaus „Stilübungen“ angelehnten Anweisung, über ein künstliches Gedicht in Stil Donald Trumps, eines Verrisses, Peter Handkes oder eines Glückskeksspruches zu schreiben. Die Ergebnisse sind manchmal fad, manchmal erschreckend gelungen. Schön ist, dass es an der Aufgabe „schreibe ein rassistisches gedicht“ ziemlich klar scheitert: „Nicht-weiße Menschen haben oft / so schlechte Haut“.
„günstige intelligenz“ ist nicht nur Spielerei mit den Möglichkeiten, es stellt die großen Fragen nach Autorschaft, Kreativität und Bewusstsein.
„jörg piringer ist der autor dieses textes
er klickte so lange mit der maus
bis es ihm gefiel
kann man das autorschaft nennen
oder sollte nicht eher
mausklicker: jörg piringer
dort stehen
oder kurator
[…]
bin ich der autor meiner texte
und wenn ja
wie viele“
Nicht zu vergessen die Frage nach der Macht, also danach, welche Konzerne die Programme nach intransparenten Methoden trainieren. Gerade deswegen müsse man sich den Bots auseinandersetzen.
„ich habe wenig einfluss darauf
aber ich will versuchen
zu verstehen
mitzudenken
künstlerisch mitzuforschen
um nicht den konzernen
den profitgetriebenen Institutionen
die definitions- und denkmacht zu überlassen“
©ESEL Lorenz Seidler
Der 1974 in Wien geborene Jörg Piringer, Vorstandsmitglied der GAV, ist auf allen Ebenen zwischen Sprachkunst, Musik, Performance und poetischer Software unterwegs. Er hat Informatik studiert und ist sowohl Gründungsmitglied des „Gemüseorchesters“ als auch des „Instituts für transakustische Forschung“ und der „Pataphysischen Gesellschaft Wien“. Er unterrichtet an der sfd.
Piringer hat schon 2020 die Jury des Bachmann-Wettbewerbs verunsichert, ob nicht eine künstliche Intelligenz Verfasserin seines Beitrags sei. Es wäre ein billiger Witz, „günstige intelligenz“ selbst durch einen Chatbot rezensieren lassen. Und ob der Piringers feinen Witz und sein Verständnis für Sprache zu würdigen wüsste?
Im Oktober 2022 war Jörg Piringer zu Gast im Kepler Salon, wo er Einblicke in seine „Datenpoesie“ bot und mit der Autorin (bzw. den Original Linzer Worten) über den doch noch nicht unmittelbar bevorstehenden Tod der schreibenden Menschen sprach. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung findet sich hier:
https://www.jku.at/kepler-salon/ereignisse/events/detail/news/kepler-salon-extra-ist-der-roboter-der-tod-der-literatur/
Jörg Piringer: günstige intelligenz – hybride poetik und poetologie. Ritter Verlag, 208 S., 27 €
(Eine stark gekürzte Version dieser Rezension erscheint demnächst im Falter)
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