Rezension von Dominika Meindl
Vielleicht trügt die Erinnerung, aber gab es nicht einen Preis für den bemerkenswertesten literarischen Titel? Wenn ja, hätte "Die gute Wurst aus Holz" im Jahr 2023 unbedingt in die Top 10 gehört. Aber das nur als Versuch eines leichtfüßigen Einstiegs in die Rezension eines Buches (Memoir? Reisebericht? Kurzprosa? Monolog?), in dem das Leichte und das Schwere in poetische Balance gebracht wurden. Katharina Riese, 1946 in Linz auf die Welt gekommen, beschreibt darin ihre Annäherung an ihren Vater: Max Ernst Peukert, sudetendeutscher Erfinder und Lebensmittelchemiker, 1947 mit bloß 42 Jahren verstorben.
Der unbekannte Vater ist ein mächtiges Motiv in der Literatur - besonders, wenn er aktiver Teil des NS-Regimes war. Nicht von ungefähr wird Martin Pollack gleich zu Beginn zitiert, der von der tiefen Sprachlosigkeit spricht, die in der Nachkriegszeit als Fundament des Wiederaufbaus gewaltsam errichtet wurde. Peukert forschte im Dienst der NS-Kriegswirtschaft an etwas, das seltsam aktuell geworden ist: pflanzlichem Wurstersatz, der "Lenzinger Myzelwurst" oder "Sogspäwurst". Bei den Nazis natürlich nicht aus ethischen Erwägungen (warum essen wir überhaupt noch Tiere!?), sondern als Hilfe gegen den selbstverschuldeten Hunger in Kriegszeiten ("Schließung der Eiweißlücke").
Gleich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begibt sich Riese zu einer Reise ins Riesengebirge, um den Geburtsort des Vaters zu besuchen - um sofort in dichtem Nebel verloren zu gehen, wie ein Vorzeichen für das kommende Unterfangen. Im Folgenden umkreist sie den Unbekannten in kurzen "Satellitentexten", berichtet von der Schreibhemmung, Recherchefahrten in Oberösterreich ("in situ", von "Schauplatz zu Schauplatz") und der eigenen, nicht ganz linearen Familiengeschichte. "Jedes Kind hat seine eigenen Eltern. Es sind andere als die seiner Geschwister. Und: Die wenigsten Kinder wissen viel über ihre Eltern, bevor sie Eltern geworden sind". Beim heimlichen Schnüren im Haus findet das Kind ein Foto vom Vater und erschrickt wegen seines Barts. "Ich bin die Tochter von Adolf Hitler!"
Rieses Sprache ist klar und höchst einnehmend, immer wieder voll treffender Ironie. "Den Flüssen geht es so wie den Frauen bei der Heirat. Nach der Vereinigung verlieren sie ihren Namen." Oder: "Intimiät und Desaster. Alles, was ist, muss nicht sein." Die skurrilsten Kapitel schreibt die Realität, oder besser - das Archiv. Da findet sich etwa in Roman Sandgrubers Monografie über Lenzing das "Biosyn-Gedicht" über die "großen Zeiten", in denen müsse man den "Magen auf die gute Wurst aus Holz" vorbereiten.
"Was geht uns das an, welchen Mist unsere Eltern verbrochen haben?" sagt Rieses Halbschwester einmal über die "Privatkatastrophe" der Eltern. Sie hat recht, aber zum Glück hat sich Katharina eben doch für den "Mist" interessiert, als einzige. Was sie über andere schreibt, gilt unbedingt auch für ihr eigenes Buch: "Was mich, sagt die Autorin, wie ein von der Sense erfasstes Grasbüschel umsäbelt, ist die Lektüre von 'Kindern', die über ihr Heranwachsen mit gestörten Eltern plausibel und verständlich schreiben können."
Eine großartige Spurensuche, ein "Gewebe zwischen Familien- und Zeitgeschichte", in fantastischen Kurztexten und stilistischer Vielfalt. Man mag dauernd unterstreichen: "Der Zweite Weltkrieg war, die Fernsehprogramme beweisen es, das aufregendste aller Männerspiele."
Foto: privat
Katharina Riese, Die gute Wurst aus Holz. Dr. Peukert. Erfinder. Vater. Klever Verlag. 144 S. Hardcover. 22 €
Ein Lebenslauf Rieses ist auf der Website der GAV zu finden: www.gav.at/pages/mitglieder.php?ID=457
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