Dienstag, 3. Dezember 2024

Herbstlese. Ein Fest für die Literatur, ein neues Format an einem neuen Veranstaltungsort

Nachbericht von Elisabeth Strasser

Lasst uns Literatur, Dichten und Denken zum Jahresausklang feiern!“, stand als Untertitel auf der Einladung zu diesem von mir erfundenen Format, bei dem am 26. November 2024 fünf Autor:innen eingeladen waren, um im zur Neige gehenden Jahr über Gelungenes, über Erfolge, Freuden und Neugeplantes im Zusammenhang mit ihrem literarischen Schaffen zu berichten. Dies in Form von Leseauszügen und im Rahmen kurzer Interviews mit Fragen zum vorgelesen Text, zum Werk und zur Person.

Und das an einem erstmals für eine Veranstaltung im Rahmen der GAV OÖ genutzten Lokal, dem Haus Willy*Fred, zentral in Linz am Graben Nr. 3 gelegen. Was es mit diesem Haus und seinem alternativen Wohnprojekt auf sich hat, das stellte Aileen Derieg vom Willy*Fred am Beginn des Abends vor.

Näheres dazu hier: www.willy-fred.org

Auf die Bühne – genauer gesagt, auf das schöne Bühnensofa – konnte ich an diesem Abend bitten: Corinna Antelmann, Johann Kleemayr, Dominika Meindl, Richard Wall und Klaus Wieser.

Texte vorlesen, über die eigenen Schreibintentionen sprechen, sich als Autor:in dem Publikum vorstellen, war dabei das eine; das andere – und ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Abends – bestand darin, Gespräch und Austausch zwischen Publikum und Auftretenden zu ermöglichen, anlässlich einer Pause im Programm und beim Ausklang mit dem einen oder anderen Getränk.

Eine Vielfalt an Beiträgen ließ sich hören – von Ernsthaft-Nachdenklichem bis zu Witzig-Lustigem. Die Autor:innen boten Einblick in ihr Schreiben, was ihnen dabei Anliegen ist, wie sie es mit Performance halten, ob sie damit eine Chance für gesellschaftspolitischen Einfluss sehen, etwas tatsächlich „bewegen“ können, und wie unterschiedlich sie z.B. an Erzähltexten oder an Lyrik arbeiten. Ein Aspekt beschäftigte sich etwa mit der Frage, warum Lyrik im deutschsprachigen Raum nicht jenen Stellenwert besitzt, den sie verdient, während dies anderswo anders ist.

Wie notwendig – letztlich lebensnotwendig – Literatur ist, wurde bei diesem Anlass (wieder einmal) klar.

Das hat uns an dem Abend die Maus Fredermink aus Dominika Meindls ungeheuer witzig aktualisierter Fabel „Von Mäusen und Menschen“ klargemacht. Die Maus, die Sonnenstrahlen sammelt, was ihren Mitmäusen – besonders Karl, der Kanzlermaus – als ein unsinniges Vorhaben erscheint, sie alle aber damit den Winter überstehen lässt.


Dem schließt sich der fliegende Teppich, der mittels Geschichten hinaufträgt, um neue Perspektiven zu offenbaren, aus Corinna Antelmanns Prolog ihres in Arbeit befindlichen Romans an. Damit verbunden war die Frage, wieweit junge Leute der „digital-native-Generation“ sich mit Geschichten erreichen lassen. Letztlich ging es um die am Ende des Leseauszugs gestellte Frage: „Was bedeutet ‚Mut‘ für mich?“ in einer eigentlich freien Gesellschaft, wo alle ihren Senf zu allem dazugeben können, es zwar keine Zensur gibt, aber es gibt Shitstorms; einerseits sprachliche Brutalität, andererseits Überempfindlichkeit.

 

Geschichten, die aus der eigenen biografischen Erfahrung geschöpft sind, erzählten Johann Kleemayr und Klaus Wieser. Johann Kleemayr las Auszüge aus einem Romanprojekt mit dem Titel „Der Tag, an dem Hans Schriftsteller wurde / und der Tag, an dem Hans kein Schriftsteller wurde, mit einem Roman im Roman“, in dem ein junger Mann namens Roman die Hauptrolle spielt. – Dabei ging es auch um die Frage nach „autobiografischem“ und „autofiktionalem“ Schreiben – also was wirklich 1:1 eigene Geschichte ist, und was literarisch verdichtet. – All das mag alle anregen, die eigene Biografie zu erzählen oder zumindest für sich zu überdenken, zu reflektieren.

Klaus Wieser setzt seine „Gruber-Geschichten“ fort, nachdem neu sein Band „Onkel Emmerich – Gruber Geschichten“, erschienen ist. Im vorgelesenen Auszug ging es neben Gruber um Herbert K. und die witzigen Abenteuer der beiden. Am Beispiel einer lyrischen Zugabe schilderte Klaus Wieser seine unterschiedlichen Arbeitsweisen bei Lyrik und Prosa, und was für ihn als Inspiration dient.



Von alledem, worum es im Leben geht, singen die Barden Lieder, die das ausdrücken und in Bilder verwandeln, was wir selber empfinden. – Richard Wall – nicht nur als Dichter, sondern auch als Bild-Künstler tätig, versteht sich darauf, Gedankenbilder in Sprachbilder umzuwandeln, wovon er in neun Gedichten Beispiele präsentierte.

Und Klaus Wieser stellte ein ganz neu im Zusammenhang mit seiner kürzlichen Japan-Reise entstandenes Haiku vor, das die japanische Praxis, zerbrochene Gefäße mit einer mit Goldstaub versetzten Paste zu reparieren, aufgreift und außerdem als ein treffliches Bild für literarisches Schaffen gelten kann:

Bruchstellen im Leben, die wir alle haben, werden damit nicht verborgen, sondern veredelt mit dem Goldstaub der Poesie, mit dem Wortwitz einer Dichtung, mit der Spannung einer Geschichte, die uns neue Perspektiven gibt, uns zum Nachdenken anregt oder uns zum Lachen bringt.

Die Notwendigkeit, Geschichten zu erzählen und Lieder zu dichten, wird nicht aufhören.

Genau das ist an diesem Herbstlese-Abend wiederum deutlich geworden.


Fotos © Dominika Meindl


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