Von Dominika Meindl. Fotos: Helmut Rizy
In gewohnt akribischer Vorbereitung und enthusiastischer Moderation führte Erich Wimmer durch einen Abend, der die Vielfalt der GAV OÖ stets besonders deutlich vor Augen führt: In "Was wir lesen" sprachen Andrea Drumbl, Kurt Mitterndorfer, Lisa-Viktoria Niederberger, Stephan Roiss, Elisabeth Strasser und Erich Wimmer kurz und prägnant über ihre Lieblingsbücher. Die junge Violonistin Valentina Pirklbauer spielte dazwischen einzelne Sätze aus Telemann-Fantasien für Violine Solo.
Andrea Drumbl war an diesem Abend besonders glücklich, da Christian Loidls Mutter im Publikum saß und sichtlich erfreut zuhörte, wie die Lyrikerin mehr als fachkundig über dessen Buch „schwarzer rotz“ sprach. Drumbl schaffte es auch, Erich Wimmer ins Boot zu holen, der mit der nicht sehr bildstarken, mitunter hermetischen Lyrik Loidls gehadert hatte.
Eine ganz andere Richtung schlug Lisa-Viktoria Niederberger ein. Sie erweiterte die Sichtweisen um die Perspektive einer Schwarzen Frau, der US-Amerikanerin Dantiel W. Moniz. Die Stories in „Milch Blut Hitze" zeigen die Schattenseiten des "Sunny State" Florida; wie unangenehm das Leben für die "Unterschicht" in den USA ist - vor allem für Frauen. Moniz beschreibt in ihrem Debüt Großes mit wenigen Strichen, sie beschönigt nichts und beherrscht einen klaren Stil - auch die Übersetzung von Claudia Arlinghaus und Anke Caroline Burger sei sehr gelungen.
Kurt Mitterndorfer führte das Publikum zurück nach Österreich - um Schattenseiten geht es aber auch hier. Da führt der Titel des von ihm vorgestellten Buches - „Das gute Leben“ - freilich in die Irre. Und doch beweist Fred Wander in seiner Autobiographie, was wahre Resilienz ist. Mitterndorfer und Wimmer sind sich einig, dass es ein Wunder sei, nach all den Schicksalschlägen nicht nur so ein Buch zu schreiben, sondern auch so ein Leben hinzukriegen. Dazu passt der Untertitel des 1996 erschienenen Buches: "Von der Fröhlichkeit im Schrecken". Wander hat es im Alter von fast 90 Jahren verfasst. Er beschreibt die Demütigungen eines jüdischen Buben im Nazi-Wien, von den Gefahren im Exil und dem Elend der Konzentrationslager in Buchenwald und Auschwitz. "Ich bin unterwegs, mein Gepäck ist nicht leicht", endet Wander.
Ein im Ton weitaus dunkleres Buch hat Stephan Roiss für den Abend gewählt: „Winters Garten“ von Valerie Fritsch. Roiss betont, dass für ihn die Sprache einer Erzählung das Wichtigste sei - ohne eine entsprechende Beschreibung seien die Handlung und der Gegenstand nichtig. Und wenn einer einen Stein drei Tage lang beschreibe, sei das legitim, wenn er dafür die richtige Sprache finde. Und das sei Fritsch in ihrem dystopischen Roman gelungen. Bei der Beschreibung einer Liebe im Klappentext scheiden sich kurz Wimmers und Roiss' Geister, aber es wäre gar nicht nötig gewesen, dass sich Roiss für den Bonsai-Zwist entschuldigt: Die beiden sind spürbar Freunde, und eine Debatte auf hohem Niveau schadet im Prinzip nie.
Nach Fritsch sprachmächtiger Beschreibung des Verfalls bot Elisabeth Strasser die nächste Wendung in eine komplett andere Richtung. Wimmer zeigt sich begeistert von ihrer intensiven, im allerbesten Sinne kindlichen Leselust - wir alle haben Sehnsucht nach der Versunkenheit in die Lektüre, wie sie nur den ganz Jungen gelingt. Strasser spricht über den gescheiten Witz in „Der Kater Konstantin“ von Walter Wippersberg. Nach der famosen Satire "Das Fest des Huhnes" gelang ihm mit den Erlebnissen des sprechenden Katers in einem völlig anderen Genre erneut ein großer Erfolg.
Und schließlich schloss der bekennende Bibliomane Erich Wimmer mit seinem feurigen Plädoyer für die (erneute) Lektüre der "Brüder Karamasow". Man möge sich einmal im Leben der gewaltigen Aufgabe unterwinden, sämtliche Übersetzungen ins Deutsche parallel zu lesen und die jeweiligen Ergebnisse vergleichen. Dabei erkenne man erst, was für ein Monument Fjodor Michailowitsch Dostojewski wirklich geschaffen habe - darüber stehe nur die Bibel.
Die Nachberichterstatterin notiert noch dankbar seinen Hinweis auf Augustinus: "Sündige tapfer!"
Valentina Pirklbauer, geboren 2004, maturiert derzeit am Stiftergymnasium, spielt bei diversen Ensembles und in der Upper Austrian Synfonietta.