Beginn einer kleinen Rezensionsreihe über KollegInnen der GAV. Von Dominika Meindl
Karin Ivancsics: Aufzeichnungen einer Blumendiebin
Es ist im Grunde einfach nicht einzusehen, dass ein Buch quasi ein einziges Mal erscheinen soll und dann entweder per kommerziellem Erfolg oder sofortiger Kanonisierung in der öffentlichen Wahrnehmung weiterleben darf – oder nach kurzer Zeit wieder in die Halbvergessenheit zurücksinkt. Viel zu viele KollegInnen wissen, was damit gemeint ist – ihre Neuerscheinungen fielen in die dummen Monate der Pandemie und damit aus dem Raster des Betriebes. Hängen bleibt nur das massiv Beworbene. Rezensiert wird nur das ganz Aktuelle. Verlegt wird nur das Erfolg Versprechende.
Umso schöner, dass der verdienstvolle Klever Verlag in diesem Frühling eine Neuauflage besorgt: „Aufzeichnungen einer Blumendiebin“ ist erstmals 1996 im Ritter Verlag erschienen. Karin Ivancsics ist Vorstandsmitglied der GAV, Sprecherin der GAV Burgenland, Präsidiumsmitglied der Erich-Fried-Gesellschaft und – gemeinsam mit Andreas Okopenko – ausgezeichnet mit dem Hertha-Kräftner-Preis (ein Beispiel von vielen).
Ihrem Text ist sein Alter nicht anzumerken, es ist ein hervorragendes Exempel gegen den Aktualitätsfetischismus. Ihn gattungsmäßig einzuordnen ist zwar nicht leicht, aber auch nicht unbedingt nötig. Das Ignorieren von literarischen, geographischen, biologischen (Gattungs-)Grenzen ist ihm wesentlich. Die titelgebende Blumendiebin lädt zur Teilhabe an einem Bewusstseinsstrom, der mal Naturlyrik im neueren Sinn ist, mal Flashback einer Reise, mal pflanzlich-menschliche Erotik. „Brauche ich einen Punkt zur Definition, außerhalb meiner Selbst eine Position, da ich mir selbst genüge und mich selbst vergesse, im Verwachsen mit der Natur?“ Kindheitserinnerungen an beerdigte Mäuse (samt geschmettertem „Näher mein Gott zu dir“, wer kennt das nicht?), Hahnenkämpfe in Mexico, Straßenszenen in Bangkok oder irgendwo in Cuba – alles ist mit allem verbunden. Klaus Taschwer hat das damals im Falter sehr treffend eine „florale Reise um den Tag in 80 Welten“ genannt. Im aktuellen Nachwort erfreut sich Petra Ganglbauer zu recht an der „poetischen Fülle“ dieser Aufzeichnungen, und am beobachtenden Ich, das „alles hereinholt, was es mit seinen Sinnen zu erfassen imstande ist“. Und man kann tatsächlich lernen, wie der Diebstahl von Topfpflanzen am besten zu bewerkstelligen ist. Die vielleicht allerwichtigste Botschaft: „Wenn du etwas anderes tust als das, was dir Freude macht, machst du dich der Verweigerung schuldig“!
Karin Ivancsics: „Aufzeichnungen einer Blumendiebin.“ Klever Verlag