Dienstag, 25. Mai 2021

Was schreiben die Menschen, die für uns sprechen? Teil 1: Die Bitte um eine gute Sterbstunde.

Beginn einer kleinen Rezensionsreihe über KollegInnen der GAV.  Von Dominika Meindl

Martin Fritz: Die Vorbereitung der Tiere / Two Princesses

Für ein Bundesland zu sprechen, daraus machen Politiker einen Fulltime-Job – Martin Fritz aber baut die GAV Tirol aus, während er glitzernde Lesebühnen inszeniert, Poetry Slams hochjazzt, Literaturwissenschaft pflegt (Dr. Mag. Mag. Phil, prack!) und Bücher schreibt. Voilà die Überleitung!

„Die Vorbereitung der Tiere“ ist nicht einfach ein lieblos aus Kurztexten zusammenklabüsertes Manuskript, sondern gereifte Slam Poetry, die verschriftlicht für sich steht (und das lässt sich ja wahrlich nicht über alle Texte dieses Genres sagen; es muss ja auch nicht jede reale Performanz in Buchstaben gezwungen werden!). Diese Sammlung ist also schon alleine ein Geschenk für alle, die diesen gleißend intelligenten Blödsinn noch einmal im Stillen nachlesen wollen. Oft hat man dem Fritz auf der Bühne zugehört und sich gewünscht, das soeben Gehörte und Verklungene gleich memorieren und bei Gelegenheit in klugen Konversationen zitieren zu können!

Hier gibt es Fußnoten zuhauf, darin eigene Erzählungen. Hier verbinden sich moralisch höchstwertige, ernsthafte Anliegen mit akademischem, elegantem Unsinn. Wenn Fritz nachweist, dass der Tiger sich für Innenarchitektur interessiert, möchte man ungern widersprechen. Oder: Der Biber „wird nicht umsonst, um an dieser stelle auch ein persönliches urteil abzugeben, er wird nicht umsonst als der helmut berger des tierreichs bezeichnet“. Die Biene etwa ist eine Dilettantin, die es gut meint. „es darf nur nie jemand etwas in die hände bekommen, das nach der art der biene gemacht ist, oder der schwindel wird gewahr.“

Neben den proaktiv anthropomorphisierenden Tierberichten erzählt Fritz von seinen Leidenschaften (Schneefräsen auf dem Balkon, so ist das halt in Tirol), Schnapsideen beim Kiffen (unter Einbeziehung von Amphibien), Abenteuern mit Installateuren (eine eigene Welt), Philosophisches zur Zeit, aber ohne Hegel (wie Pralinen bewusst ohne Schokolade) und zutreffende Klagen über Nachkriegsadventkalender, in denen die Generation X zum Beten für eine gute Sterbstunde angehalten wurde: „Wir haben ja nichts gehabt!“

„Bier ist ein Quell nur einer Freude: des Trostes, dass, wenn gar kein Bier vorhanden ist, immerhin auch kein Corona da ist.“ Ist es falsch, Fritz den Max Goldt von Innsbruck zu nennen? So doof kann jedenfalls nur der wirklich Gescheite sein. 


 

Nicht unerwähnt darf die jüngste Hervorbringung Fritzens bleiben: In der ganz und gar einzigartigen Broschüre „Two Princesses“ setzt er sich mit dem Phänomen der Produktkönigin auseinander, was speziell für uns Menschen rund um das Eferdinger Becken höchst relevant ist (#puppingergemüseprinzessin). Er nennt sie „elegante zeuginnen untergegangener industrie“ mit Verbindung zur späteren Popkultur. Die Untersuchung hat immens viel über Vergangenheit und Zukunft der Weiblichkeit zu sagen. Theoretischer Bonus: Einsichten über „diese vielleicht letzte generation von menschen, deren leben im netz nur eine einzige spur hinterlassen hat: wie schön ist es, über sie so wenig zu wissen.“ Er wundert sich darüber, wie leicht ein Produkt wie Safran von Afghanistan nach Europa kommt, und wie schwer ein Mensch.

Martin Fritz: "Die Vorbereitung der Tiere". Edition Laurin. „Two Princesses (Queens, Pt. III)“ ist in Form einer Lecture Performance hier zu sehen: https://youtu.be/NwDo4WsCSGg

Kritik an der Literaturkritik ist im Kommentarteil nicht nur möglich, sondern erwünscht! 

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