Dienstag, 29. April 2025

Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert. – Franziska Schutzbach

 


Liebe Franziska Schutzbach,

es birgt ein Risiko jemanden persönlich zu treffen, dessen Werk uns begeistert. Denn Begeisterung ist das, was ich bei der Lektüre deines Buches empfinde. Kein Wunder: Eine promovierte Sozialwissenschaftlerin veröffentlicht ein feministisches, fundiertes, gut argumentiertes Sachbuch in einem großen deutschen Publikumsverlag.
„Revolution der Verbundenheit“ ist nicht redundant, wie das bei so vielen populären Sachbüchern der Fall ist. Es vermittelt Wissen, das mir neu ist. Es formuliert Gedanken, die mich ebenso beschäftigen. Um nicht zu sagen: Du sprichst mir aus der Seele. Und nicht zuletzt: Dein Buch gibt (mir) Hoffnung und aktiviert mich!

Denn so wie du frage ich mich mitunter: „Was sollen Texte, was sollen Worte noch bewirken?“ (S.11) Auch ich bin überzeugt, dass die Kritik am Bestehenden alleine nicht weiterhilft, sondern dass es „Ideen von einem besseren Leben, von gutem Arbeiten, von Teilhabe und Selbstbestimmung – und einem Stück Lebensglück“ (S. 21) braucht.

Du setzt dich damit auseinander, welche Rolle Frauen bzw. FLINTA*-Personen im Kampf um eine gerechtere Welt gespielt haben und spielen könn(t)en. Mir gefällt die Idee, dass von ihnen, dh. von uns, eine Revolution ausgehen kann. Ich finde es gut, dass du die Differenzen, die Schwierigkeiten, die Unterschiede zwischen Frauen bzw. FLINTA*-Personen keineswegs aussparst und dennoch aufzeigst, wie Frauen in der Vergangenheit „Transformationen durch Beziehungen und Bündnisse bewirkt haben.“ (S.229)

Neben „Freundschaft“ beschäftigst du dich mit „Frauenbeziehungen in Familien“ und mit der „Revolution der Liebe.“ Im Kapitel zu „Sisterhood“ kommst du – mit Bezug auf Adorno, Dagmar Wilhem und vielen anderen – zum Schluss:

Der stärkste Gegner einer faschistisch-patriarchalen Gesellschaft ist die menschliche Fähigkeit, das Leiden anderer Lebewesen nachzuempfinden und der daraus resultierende Gerechtigkeitsimpuls, dass das Zufügen von Leid falsch ist. Der Erfolgt autoritärer Politik, die Legitimität von (Frauen)Unterdrückung und Diskriminierung hängt maßgeblich davon ab, wie weit der Mensch von Impuls der Solidarität abgebracht werden kann.“ (235)

Sehr weit, wie sich allerorts zeigt.

Das letzte Kapitel „Weibliche Verweigerung: Separatismus, Autonomie und Ausstieg“ beginnst du mit einem Brief an die Autorin Mareike Fallwickl, deren Texte du als große Gegenentwürfe bezeichnest.

Und hier sitzt du nun in Linz (Central, 25.3.25), zwei Reihen vor mir. Während Fallwickel vor ihren Fangirls gegen das Patriarchat performt, frage ich mich, ob ich neidisch auf Fallwickls Popularität bin und wie wir es anstellen könnten, nicht immer nur zu Bekehrten zu predigen.
Gespannt warte ich auf deine Lesung, deine Redebeiträge. Herausfordernd sei dein Buch schon, flüstert mir meine Sitznachbarin dann ins Ohr und später: „Die spricht ja wie gedruckt.“ Ja, deine gesprochenen Sätze sind ebenso klar wie deine geschriebenen. Immer wieder betonst du, dass es Arbeit ist, für Veränderung zu kämpfen und dass es nicht konfliktfrei vor sich gehen wird.

Und ja, auch ich habe dein Buch nicht an einem Tag gelesen, sondern währenddessen innegehalten, nachgedacht, genickt, unterstrichen und mich an mein sozialwissenschaftliches Studium erinnert. In einer meine Schreibgruppen habe ich die Teilnehmenden Briefe an wichtige weibliche Bezugspersonen schreiben lassen, so wie du es am Beginn eines jeden Kapitel tust.

Ich habe dein Buch empfohlen und verschenkt und daraus zitiert und dann stehe ich schließlich vor dir, mit meinem Exemplar und einem für meine Nachbarin. Übrigens: Ein Kapitel über gute Nachbarinnenschaft wäre auch noch spannend.

Du bist sehr groß im Vergleich zu mir. Ich danke dir für dieses Buch und bitte dich, gemeinsam mit Mareike eine Partei zu gründen. Ich wäre sofort dabei, sage ich.
Ihr dachtet eher an eine Band, gibst du zurück.
Du lachst, ich lache mit, auch wenn es mir insgeheim leidtut, weil ich zu einer Band nichts Aktives beitragen kann. Aber ich weiß, wir anstrengend es sein kann, direkt nach Lesungen und Diskussionen noch mit Fans sprechen zu müssen. Außerdem bist du laut Klappentext „eine der bekanntesten und gefragtesten feministischen Stimmen im deutschsprachigen Raum“ (S.2) Zu Recht, wie ich meine.

Ich verbleibe also in Begeisterung,
als interessierte Leserin und Kollegin
und auch wenig Fangirl,
            
Barbara Rieger

P.S.: Die Briefform hat mich inspiriert.

Mehr zum Buch: https://www.droemer-knaur.de/buch/franziska-schutzbach-revolution-der-verbundenheit-9783426279045

Mehr zur Autorin: https://www.franziskaschutzbach.com/

Mehr zur Rezensentin: https://www.barbara-rieger.at/

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert. – Franziska Schutzbach

  Liebe Franziska Schutzbach, es birgt ein Risiko jemanden persönlich zu treffen, dessen Werk uns begeistert. Denn Begeisterung ist das, was...