Dienstag, 8. April 2025

Das waren die Hommagen 2025

Ein Rückblick von Elisabeth Strasser

Die Reihe, in der heimische Schriftsteller:innen über von ihnen verehrte, bewunderte, geschätzte Größen der Literatur sprechen, sie vorstellen oder in Erinnerung rufen, wurde – wiederum kuratiert, moderiert von Andreas Weber und stattfindend im 15. Stock des Linzer Wissensturms – an drei aufeinanderfolgenden Mittwochen im März 2025 fortgesetzt.

12.3.2025: Margit Schreiner über Sabine Scholl

19.3.2025: Walter Kohl über Leonard Cohen

26.3.2025: Rudolf Habringer über Patricia Highsmith

Einige Einblicke

Es ging um persönliche Zugänge, etwa wenn Margit Schreiner biografische Parallelen mit der von ihr vorgestellten Sabine Scholl feststellte: Beide in Oberösterreich geboren, gehören der gleichen Generation an, beide lebten und arbeiteten in verschiedenen Ländern (von Japan über Frankreich bis USA u.a.) – oft denselben, allerdings nicht gleichzeitig. Beide sind Mütter, die ihre Zeit fürs Schreiben mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren hatten. Beide beschäftigen sich mit autobiografischem Schreiben. – Als Motto über der Hommage stand „Der Mensch als Frau“. Die Frage, was es mit sogenannter „Frauenliteratur“ auf sich hat, und wie sich ein Roman ohne im Text agierende männliche Figuren gestalten lässt, war Thema, genauso wie Sabine Scholls Interesse für Benachteiligte, Randgruppen und die Sprache jener, die keine Sprache haben.

Margit Schreiner im Gespräch mit Moderator Andreas Weber

Wir sind die Früchte des Zorns“ lautet der Titel von Sabine Scholls autobiografischem Roman, den Margit Schreiner insbesondere präsentierte. Eine Besonderheit dabei ist, dass ausschließlich die Frauen dieser Geschichte als agierende Personen vorgestellt sind, die Männer nur als deren nebenbei-Anhang – wie traditionell Frauen oft bloß als „Anhängsel“ eines Mannes und in Beziehung zu ihm dargestellt wurden. Wenn etwa vom Ehemann der Hauptfigur die Rede ist, so wird dieser als „Odettes (Name der Schwiegermutter) Sohn“ bezeichnet. Dennoch gehe es in Sabine Scholls Werk nicht darum, „es den Männern heimzuzahlen“, es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern bloß um die Auslassung ihrer ansonsten so oft vorrangig dargestellten Positionen.

Thema in Sabine Scholls Werken sind auch der Kolonialismus und seine Auswirkungen. So stand sie in ihrer Zeit in den USA etwa mit Chicanos/Chicanas in Kontakt, das sind aus Mexiko in die USA Eingewanderte mit ihrer speziellen Kultur.


Walter Kohl vergegenwärtigte Leonard Cohen-Songs mit Gitarre und Mundharmonika – gesanglich unterstützt von seiner Frau Christiane Marina Kohl – und unterlegte am Schluss Cohens berühmtes „Halleluja“ mit seinem (kürzlich bei der „Langen Nacht der GAV“ vorgetragenen) Mundarttext „A Glashausgurkn möcht i sein“.

Walter Kohl erzählt, bevor er zusammen mit Christiane Marina Kohl wieder zu singen anhebt

Dazu gab es interessante Aspekte zu den Hintergründen einiger Songtexte zu erfahren, und Cohen wurde auch als Romanautor vorgestellt. Denn – obwohl er in seiner Jugend bereits in einer Band spielte (insbesondere, um Mädchen zu beeindrucken) – begann der 1934 in Kanada in eine gutbürgerliche jüdische Familie geborene Leonard Cohen seine Karriere als Dichter und auch Romanautor, bevor er sich hauptsächlich der gesanglichen Interpretation seiner Lyrik zuwandte.

Zwei Romane wurden an dem Hommagenabend erwähnt: Das Lieblingsspiel/The Favourite Game (1963) und Schöne Verlierer/Beautiful Losers (1966). – Ersterer wurde bezeichnet als „Roman für pubertierende männliche Jugendliche – in deren Lebensvorstellung Sex die Erlösung darstellt“. Bei zweiterem werden vier Personen vorgestellt, ein Paar samt dessen Freund, mitsamt „Sex & Drugs“, und dazu Kateri/Catherine Tekakwitha, eine Angehörige der Mohawk aus dem 17. Jh., die nach einer Pockenerkrankung in einem Kloster aufwächst, als „virgo consecrata“, d.h. geweihte Jungfrau, lebt und schließlich heiliggesprochen wird. Ihre Geschichte verschränkt sich mit jener der weiteren drei Hauptfiguren.

Besonders berührend war, den Hintergrund des vorgetragenen Songs „Who by Fire“ zu erfahren: Leonard Cohen trat während des Jom-Kippur-Krieges 1973 vor israelischen Soldaten auf. Da konnte geschehen, dass jene, die ihm zuhört hatten, wenige Stunden später tot waren. Davon und durch den jüdischen Gebetstext „Unetanneh Tokef“ inspiriert, entstand das Lied. Während der jüdische Text – nachdem verschiedenste Todesarten genannt sind – letztendlich auf die Größe Gottes hinausläuft, endet bei Cohen jede Strophe mit der offenen Frage: „And who shall I say is calling?“

Wie aus einer notierten Skizze nach einer eindrucksvollen persönlichen Begegnung ein Roman entstehen kann, damit beschäftigte sich Rudolf Habringer anhand der Entstehungsgeschichte des Romans „Das Salz und sein Preis“ von Patricia Highsmith unter anderem in seiner Hommage. Dieser 1952 zunächst unter Pseudonym veröffentlichte Roman, in dem es um eine lesbische Liebesbeziehung, die glücklich endet, geht (was zu der Zeit als doch etwas „problematisch“ galt), wurde rund 30 Jahre später unter dem eigenen Namen der Autorin neuerlich veröffentlicht und mit dem Titel „Carol“ verfilmt.

Rudolf Habringer stellt Skizze und Roman gegenüber

Das Besondere an diesem Roman ist, dass er sich von anderen berühmteren Erzählungen der Autorin unterscheidet, in denen es um Verbrechen geht, die jedoch keine klassischen Kriminalgeschichten mit Ermittlern sind. Denn nicht die Auflösung des Kriminalfalls interessiert sie und stellt sie der Leserschaft vor, sondern das Dunkle, die kriminellen Anlagen, die in jedem Menschen vorhanden seien. Highsmith arbeitete eine Zeit lang als Texterin in einer Comic-Agentur und nicht alle ihrer Bücher wurden sofort von Verlagen angenommen. Einer ihrer bekanntesten Romane „Zwei Fremde im Zug“, der bald nach Erscheinen von Alfred Hitchcock verfilmt wurde, und der allzu berühmte „talentierte Mr. Ripley“ (aus der Reihe gibt es fünf Romane und etliche Verfilmungen) wurden – ihrer allgemeinen Bekanntheit wegen – nicht näher vorgestellt. Dafür gab es Einblicke ins Privatleben der Autorin, das gut bekannt ist aufgrund ihrer mehrere tausend Seiten umfassenden Tagebücher, die sie für Veröffentlichung vorsah, so wie sie ihren gesamten schriftlichen Nachlass dem Diogenes Verlag hinterließ. Dabei geht es unter anderem um ihre (gelinde gesagt) „schwierige“ Beziehung zu ihrer Mutter, ihre zahllosen Liebesaffären mit Frauen, ihre Alkoholsucht, ihre Manie des Listen-Schreibens und ihr Schreibpensum von acht Seiten täglich.

Mit der für die Hommage vorbereitenden Lektüre der über 1000 Seiten starken Patricia-Highsmith-Biografie von Joan Schenkar („Die talentierte Miss Highsmith“) hat Rudolf Habringer ein beachtliches Pensum bewältigt und damit der Zuhörerschaft das Leben und Werk dieser faszinierenden Schriftstellerin eindrucksvoll nahegebracht.

Information und Inspiration

Informationen über die Vorgestellten lassen sich heute – dank Internet – leicht und schnell bekommen. Biografien der Autor:innen und Näheres zu deren Werken lassen sich z.B. auf Wikipedia zumindest im groben Überblick nachlesen. Es finden sich – beispielsweise auf Youtube – Filmportraits der Berühmtheiten, Aufnahmen ihrer Auftritte oder auch Verfilmungen/Hörfassungen ihrer Romane.

In dieser Fülle an Information braucht es trotzdem und gerade Orientierung. Die „Hommagen“ taugen somit ganz besonders dazu, durch persönliche Zugänge der Vortragenden aufmerksam gemacht zu werden, sich mit der einen oder anderen bedeutenden Persönlichkeit (wieder) näher zu beschäftigen, sie entweder überhaupt erst kennenzulernen oder neue Facetten an ihr zu entdecken. Und wenn das alles von Menschen kommt, die einem persönlich gegenübersitzen, wo noch dazu Möglichkeit zu Fragen und Gespräch besteht, ist das noch einmal etwas ganz Besonderes – und Inspiration. – Das ist das Wunderbare an einer Life-Veranstaltung.

Eine Menge Anregungen – Was ich aus den Hommagen mitgenommen habe

Sabine Scholls Zugang der Auslassungen etwa gibt Impulse zum Weiterdenken. Ebenso die Überlegungen zum Begriff „Frauenliteratur“, der eigentlich schon längst als überholt gelten sollte. – So wie im Vortrag gesagt wurde: Es wird schließlich auch kein Autor als „Männerschriftsteller“ bezeichnet.

Patricia Highsmith könnte man sich in Originalsprache zu lesen vornehmen, da über ihren Schreibstil (von ihren Zeitgenossen) gesagt wurde, auch Schulkinder fänden sich damit leicht zurecht.– Vor allem aber interessant scheint (besonders für selbst literarisch Schreibende) ihr Essay „Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt“.

Was Leonard Cohen betrifft, habe ich mir nach der Hommage etliche seiner Songs angehört, erstmals oder wieder neu mit neuem Wissen um Hintergründe. – Vor allem einige Aufnahmen seines Konzerts 2013 in London – wo jene Antwort auf eine wichtige Frage vorkommt, die Walter Kohl erwähnte. Diese sei an der Stelle nicht verraten für jene, die nicht bei der Hommage dabei waren. Lässt sich aber nach Anhören der Aufnahme rausbekommen.

Von Patricia Highsmith stammt der Ausspruch, mit dem sie wohl auf ihre eigene Kindheit anspielte: Wer mit einer glücklichen Kindheit gesegnet sei, werde fast nie ein guter Autor.

Da ist etwas dran, denn gerade das Schwere, Brüche im Leben, führen oft dazu, dass Großartiges entstehen kann. – Das wissen wir wohl als Menschen alle, gleich ob wir (bekannte) Autoren/Autorinnen sind oder nicht.

Eindrücklich kommt dieser Gedanke in Leonard Cohens Poem „Anthem“ zum Ausdruck:

Da ist ein Riss, ein Sprung (a crack) immer wieder da, doch gerade durch diesen kann Licht eindringen: wirkliche Freude, Erneuerung, große Kunstwerke, alles, was das Leben schön und lebenswert macht.

Als Abschluss dieses Beitrags sei der Refrain zitiert. Es lohnt sich, die Aufnahme des Londoner Konzerts anzuhören, wo Leonard Cohen den Refrain anfangs mit seiner eindrucksvollen Stimme spricht: Leonard Cohen - Anthem (Live in London)

Ring the bells that still can ring / Forget your perfect offering

There is a crack, a crack in everything / That’s how the light gets in.


Text und Fotos: Elisabeth Strasser

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