Sehr geehrter Herr Bürgermeister Michael
Ludwig,
über die Grazer Autorinnen Autoren Versammlung habe ich erfahren,
dass per 1.8.2023 das Literaturreferat der Stadt Wien als
eigenständiges Referat aufgelöst und dem Referat „Film, Mode und
Internationales“ angeschlossen wurde.
Dieser Schritt ist mir, die ich mich der Stadt Wien als deutsche
Autorin und Wahl-Österreicherin verbunden fühle, unverständlich
und sendet, wie ich meine, das falsche Signal aus der Hauptstadt
eines Landes, das große Literatur hervorgebracht hat,
nun jedoch mit Intellektuellen-Feindseligkeit und verengten
Denkmustern zu kämpfen hat.
Seit jeher ist es die Literatur, die es uns ermöglicht, das Denken zu erweitern, in die Tiefe zu gehen und verschiedene Perspektiven einzunehmen - Eigenschaften, die es zu stärken gilt, gegenwärtig mehr denn je. Die Abschaffung eines eigenständigen Referats aber stuft die Bedeutung der Literatur hinunter, statt sich mit allen Kräften dem literarischen Schaffen in diesem Land und der Vermittlung von Literatur zu widmen.
Wir sind überflutet mit Neuen Medien und Neurologinnen sehen in der „digitalen Demenz“ mittlerweile eine große Gefahr. Der IQ ist in den Industriestaaten zuletzt gesunken. Die Gefahren der Digitalisierung (Einbußen in den Bereichen Konzentration, übergreifendes Denken, sozialer Kompetenz, Textverständnis, Ausdrucksbreite) werden zunehmend beforscht, „Digital Detox“ versucht bereits wieder, Wege zur digitalen Entgiftung aufzuzeigen.
Auch die Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, und wir haben die Verantwortung als Menschen,daneben nun vor allem die wirklich menschlichen Skills zu stärken, die uns keine KI der Welt abnehmen kann (und sollte) als da sind: eigenständiges Denken, ethisches Empfinden, Verständnis füreinander, kurz: humanistische Ideale, die uns die Literatur lehrt, da wir hier ÜBER DAS MENSCHSEIN erfahren.
Fortlaufend werden stattdessen die
Möglichkeiten für Lesungen ebenso zurückgefahren wie die
Möglichkeiten, als Literatin im öffentlichen Leben präsent zu
sein. Literatur nun noch unsichtbarer zu machen und sukzessive aus
der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen, wirkt dem
gesellschaftlichen Auftrag, den jede Regierung innehält,
schmerzlich entgegen.
Im Gegenteil sollte also nicht allein ein eigenes Referat unterhalten werden, sondern der Fokus auf Vermittlung von Literatur an Schulen und auch für Erwachsene zusätzlich verstärkt werden, denn sie hilft, Persönlichkeit zu entfalten und durch Sprachkompetenz den Ausdruck für all das zu finden, was den Menschen umtreibt und nicht selten in den Hass treibt, so er keine Worte findet. Gibt es kein ausgefeiltes Sprachverständnis und keinen souveränen Umgang mit Sprache mehr – etwas, das vor allem durch Literatur gefördert wird –, geht das kritische Denken verloren, das die Basis einer demokratischen Gesellschaft mündiger Bürgerinnen und Bürger ist, die wir doch alle erhalten und stützen wollen.
Ich freue mich über eine Zurücknahme der Auflösung und den Anlass, hier vielleicht über eine Erweiterung nachzudenken, um Literatur nicht als MUSS, sondern als Bereicherung für ALLE Menschen zu sehen. Sie sollte in ihren Möglichkeiten nicht unterschätzt werden. Für neue Ideen, was Literatur in Schule und Gesellschaft verankern hülfe, stehe ich mit meiner Expertise als Autorin und Hochschullehrerin gern zur Verfügung,
mit freundlichen Grüßen,
Dipl.Kult.Päd. Corinna Antelmann (eigen(st)händig verfasst)
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