Anna
Weidenholzers Roman „Finde einem Schwan ein Boot“ zeigt kraft
Empathie, wie die kollektive Rechtsdrift vonstatten geht. Und
beglückt trotz allem durch seinen menschenfreundlichen Witz.
Rezension:
Dominika Meindl
Elisabeth
und Peter sind seit fünf Jahren ein Paar. Es kriselt nicht, aber ob
sich noch einmal fünf Jahre miteinander ausgehen? So nennt er sie
unbeirrt „Prinzessin“, schenkt ihr wöchentlich Supermarktrosen
und mansplaint
unentwegt. „Irgendwann wirst du noch die Vorteile eines
Handstaubsaugers entdecken“. Der Wetter- und Lokaljournalist ist
nicht unsympathisch, aber Elisabeths leise Entfremdung ist
nachvollziehbar.
Weidenholzer
zeichnet ihre Figuren stets sehr fein und empathisch, nie schreibt
sie über Hipster oder andere schicke Leute, nie über elitäre
Tatmenschen. Ihren neune Roman erzählt sie aus der Perspektive
Elisabeths, einer zurückhaltenden Beobachterin. Die Handlung spielt
sich in Rückblenden während einer schlaflosen Nacht ab. Der Text
ließe sich in diesem Zeitraum auch lesen; die Kapitel enden ungefähr
im Viertelstundentakt.
„Schau, wie die Leben dort drüben gestapelt sind.“ Elisabeth ist wach und schaut hinaus in die Nacht, von ihrer Wohnung hinüber in die ihrer Freunde Karla und Heinz, mit denen das Paar viel Zeit im Café Maria verbringt. Karla hat den Bogen raus: „Ich mache weniger, denn dauert das Leben länger.“ Heinz, trinkfest und gesellig, versucht sich als Energetiker, nachdem er als Versicherungsvertreter nicht reüssiert hat. So wie Peter hat er den Drang, etwas darzustellen, beide wollen ihre Frauen stolz machen, sind aber ziemliche Würschtel (ohne dass Weidenholzer das allzu plakativ macht). Dementsprechend verlaufen ihre Karrieren. Peter nimmt das Angebot einer rechten Wochenzeitschrift an. Weil als Schauplatz des Romans Linz angenommen werden kann („es ist die Stadt, die noch nie das Meer gesehen hat und doch unablässig Wasser dorthin weiterschiebt“), darf man dabei an das oberösterreichische Gratis-Blatt „Wochenblick“ denken, in dem die ehemaligen FPÖ-Minister gerne inseriert haben und das laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als „Desinformationsprojekt am rechten Rand“ fungiert. Heinz bewirbt sich erfolgreich bei der Sicherheitswache.
„Schau, wie die Leben dort drüben gestapelt sind.“ Elisabeth ist wach und schaut hinaus in die Nacht, von ihrer Wohnung hinüber in die ihrer Freunde Karla und Heinz, mit denen das Paar viel Zeit im Café Maria verbringt. Karla hat den Bogen raus: „Ich mache weniger, denn dauert das Leben länger.“ Heinz, trinkfest und gesellig, versucht sich als Energetiker, nachdem er als Versicherungsvertreter nicht reüssiert hat. So wie Peter hat er den Drang, etwas darzustellen, beide wollen ihre Frauen stolz machen, sind aber ziemliche Würschtel (ohne dass Weidenholzer das allzu plakativ macht). Dementsprechend verlaufen ihre Karrieren. Peter nimmt das Angebot einer rechten Wochenzeitschrift an. Weil als Schauplatz des Romans Linz angenommen werden kann („es ist die Stadt, die noch nie das Meer gesehen hat und doch unablässig Wasser dorthin weiterschiebt“), darf man dabei an das oberösterreichische Gratis-Blatt „Wochenblick“ denken, in dem die ehemaligen FPÖ-Minister gerne inseriert haben und das laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als „Desinformationsprojekt am rechten Rand“ fungiert. Heinz bewirbt sich erfolgreich bei der Sicherheitswache.
Elisabeth
hat ein feines Radar für kleine Freundlichkeiten und skurrile
Bilder. „Peter sagte: Du siehst Geschichten, wo keine sind.“ An
ihrem Unbehagen verdeutlicht sich auch das gegenwärtige kollektive
Abdriften nach rechts. Wenn etwa Peter nicht mehr über Graupelregen
schreibt, sondern über Menschen als „tickende Zeitbomben“.
Privat sind alle immer ganz anders, aber wo kriegt man heute noch
eine Festanstellung her, außerdem muss man ja journalistisch beim
Volk bleiben. Das ist der Kern der Sache. Wir haben es tatsächlich
selten mit Unmenschen oder Neonazis zu tun, wenn wir Neoliberalismus
und Rechtspopulismus anklagen. Ins Werk wird das Böse von denen
gesetzt, die wider besseres Wissen dem „Pöbel“ die nächste
soziale Gemeinheit als Wahrheit verkaufen und sich selbst eine
moralisch akzeptable Privatmeinung gönnen.
„Finde
einem Schwan ein Boot“ ist Anna Weidenholzers dritter Roman, nach
„Weshalb die Herren Seesterne tragen“ der zweite beim Berliner
Verlag Matthes & Seitz. Der Schwan beginnt gleichsam, wo die
Seesterne enden: Dort hatte ein pensionierter Lehrer die Menschen
nach ihren Glücksbedürfnissen befragt; diese Rolle übernimmt die schrullige Professorin, die nun aber auf verlorenem Posten (= an
der Bar) über Vorurteilsforschung referiert, und darüber, was sich
da im reichen Mitteleuropa zusammenbraut. „Wenn es am Horizont
dunkel ist, sieht man schlecht, was darunter liegt.“
Es
ist schön und selten im Literaturbetrieb, dass sich Weidenholzer
beim Schreiben nicht hetzen lässt. Dementsprechend gut sitzen die
Worte. Mindestens einen Satz pro Seite möchte man sich als
Aphorismus merken. „Plot
driven“
ist das natürlich nicht, denn nur so lässt sich darstellen, wie
sich der soziale Gletscher bricht. Von „unaufdringlicher
Kunstfertigkeit“ spricht Falter-Kollege Sebastian Fasthuber: „Der
Blick auf die Mitte der Gesellschaft offenbart Abgründe“.
Die
Hintergründe sind ernst, es gibt allen Grund zur Melancholie, und
doch blitzt viel feiner Witz auf. Etwa als Peter von der
Landesgartenschau – das längste Kapitel – berichten und
Pensionisten nach ihren Motiven befragen muss. „Die Welt ist groß
und es gibt viel zu entdecken, und am besten ist es, wenn man vorher
weiß, wo man sitzen wird“, antwortet ein passionierter
Busreisender. Weidenholzer kennt sich bestens aus, wenn sie über
journalistische Prekarisierung und die Verschwendung von Talent in
Lokalredaktionen schreibt. „Wir brauchen noch ein gutes Zitat,
damit es menschlich wird“.
Und
man erfährt sehr viel über Tiere, auch das ein Merkmal von
Weidenholzers Kunstwollen: Der titelgebende Schwan hat sich – wahre
Geschichte – in ein schwanenförmiges Tretboot verliebt, seine
Liebe ist „nichts als ein großes Stück Plastik“.
Hinter
dieser Rezension:
Dominika Meindl ist mit der Autorin eng befreundet; gemeinsam haben
sie die Lesebühne „Original Linzer Wort“ gegründet. Anna
Weidenholzer ist Mitglied der GAV OÖ. Es wäre der Rezensentin eine
Freude, überprüften LeserInnen ihre Rezension durch eigene Lektüre
auf deren Objektivität hin. Kommentare sind willkommen!
Am Donnerstag, dem 10. Oktober, spricht die Rezensentin mit der Autorin, dazu spielt die Band "Fargo". "Owa vom gas", eine Kooperation von Experiment Literatur und dem Medien Kultur Haus. MKH Wels, Pollheimerstraße. Beginn: 19:30 Uhr.
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