... und auch an
Sie, Herr Stelzer - anlässlich der Entscheidung in Oberösterreich, nach der
Entdeckung eines Clusters in fünf Bezirken ausnahmslos alle Veranstaltungen
abzusagen (auch outdoor und gewissenhaft organisiert wie in Ottensheim ) und
alle Schulen und Kindergärten zu schließen.
Wir sollten entscheiden,
wie wir als Menschen leben wollen und uns gewahr zu werden, wo es hingehen soll
mit dieser Menschen-Gemeinschaft. Frage: Was macht eine Gesellschaft aus? Woher
nehmen wir Sinn und Gehalt und Nahrung für die Seele? Das Gefühl für Schönheit?
Die Freude und innere Gesundheit?
Der Weg dorthin ist
ebenso gepflastert mit Entscheidungen, zum Beispiel die Entscheidung, wie wir
mit unserem Leben umgehen wollen. Und zwar langfristig, weil Krankheiten uns
weiterhin begleiten werden, je länger wir das Leben weiterhin mit Füßen treten,
missachten, und uns von allem Verbindenden und Verbindlichen abschneiden.
Anfang Juli stieg in
Oberösterreich die Zahl der Infizierten abermals (und erstmals in diesem Maße
nach dem Shutdown), nicht ganz überraschend für alle, die ohnehin Vorsicht
haben walten lassen, um ihren Wiedereinstieg ins berufliche und
gesellschaftliche Leben nicht zu gefährden, zum Beispiel uns KünstlerInnen. Nach
dem kurzen Aufatmen dann kamen erste zarte Bemühungen (und hier kommt die
persönliche Betroffenheit), als Kunstschaffende unter Berücksichtigung von
Vorsichtsmaßnahmen an Strategien zu basteln, die Veranstaltungen möglich machen
könnten, wie es gehen könnte, ohne Teil des Problems zu werden, sondern Teil
einer Lösung zu sein. Dieses erstes Wiederaufblühen ist noch vor der Blüte (vor
der Ernte sowieso) wieder niedergetreten worden. In meinem Falle: eine Freiluft-Veranstaltung
in kleinem Rahmen, mit Abstand und Maske, eine Lesung ohne direkten
Körperkontakt. Durch die pauschale Absage an ALLE Veranstaltungen in fünf
oberösterreichischen Bezirken, ohne Differenzierung, musste sie ausfallen,
während alles andere unangetastet blieb, selbst die Maskenpflicht nicht mit
sofortiger Wirkung wieder eingeführt wurde. Aha. Kultur, und ebenso pauschal
die Bildung unserer Kinder, deren Schulalltag abermals von einem auf den
anderen Tag ausgesetzt wurde (das trifft mich als Mutter UND freischaffende
Künstlerin doppelt), das zutiefst Humane, Sinnstiftende, Nährende, gelten also
als weniger wert, weniger relevant als die Bereiche, die uns in erster Linie
als KonsumentInnen sehen?
Es dürfte sich
herumgesprochen haben, dass Geld nicht sinnstiftend sein kann und auch nicht
heilend. Ja, Unterstützung braucht es dennoch - für viele von uns, und ich bin
dankbar, in einem Land wie Österreich aufgefangen zu werden, aber: Es geht
nicht nur um Geld; der Mensch will (allen anders lautenden Meinungen zum Trotz)
arbeiten! Ich will arbeiten, ja, denn ich halte Arbeit für wichtig und
erfüllend. Meine Eltern wollen Berührung und mein Kind will eingebettet sein in
soziale Zusammenhänge und sein Recht auf Bildung ausüben (anders lautenden
Meinungen zum Trotz, auch hier). Studierenden wollen „in Beziehung“ lernen,
bevor die Wut um sich greift, die jede Solidarität in ihren Flammen erstickt.
Fallengelassen zu werden, aber als Konsumentengruppe willkommen zu sein, das
hält eine kindliche Psyche bedingt aus. Fallengelassen zu werden, weil es sich
nicht rechnet, hält niemand aus.
Also fragen wir bitte,
und ich frage auch Sie, Herr Stelzer: Wie wollen wir die Säulen Gesundheit,
Kultur, Bildung stabilisieren, auf denen jede Gemeinschaft fußt? Wie wollen wir
der allgemeinen Frustration entgegenwirken: von den Kindern, den Eltern, von
all jenen, die ihre Arbeit nicht ausüben dürfen, nicht berührt werden, nicht
gehört werden, keine Stimme haben, keine Sprache? Bitte, bitte keine
undifferenzierte Willkür mehr, wann welche Maßnahmen getroffen werden. Allein
deshalb, um die Solidarität ALLER nicht zu gefährden. Wo ist Vorsicht sinnvoll,
unvermeidbar und zielführend, wo pauschal, undurchsichtig und krankmachend, ja,
kränkend? Bitte, überlegen wir eine Strategie, die soziale, psychische,
emotionale, kreative Aspekte vor Umsätze reiht.
Denn auch deshalb will
ich arbeiten und sehe es als sinnstiftend an, (im Rahmen des Möglichen)
öffentlich zu lesen, gemeinsam auch mit Schüler und Schülerinnen: Weil über das
Geschichtenerzählen das Staunen, Atmen, Denken, ja das Menschliche, in den
Vordergrund gerückt wird. Alles, was je erzählt wurde und wird, drückt das
Gemeinsame aus, das Verbindende, das, was das Leben ausmacht, statt durch
voranschreitende Ökonomisierung an Lifestyles zu stylen, die uns zu
unterscheiden versuchen. Wir sind keine Einzelwesen, sondern brauchen jede
Einzelne mit dem, was er oder sie tut und ist. Den politischen
EntscheidungsträgerInnen sei an dieser Stelle empfohlen, sich gelegentlich mit
der schreibenden Zunft auseinanderzusetzen. Wir sitzen alle in einem Boot,
allein dadurch, dass wir Menschen sind. Auch das erfahren wir gerade. Wir sind
Gesellschaft und sollten die Verantwortung übernehmen: uns selbst und unserer
Umwelt gegenüber. Wie können wir uns gegenseitig schützen, wertschätzen,
unterstützen? Wie können wir verantwortungsbewusst handeln, ohne das Leben
fallenzulassen?
Nehmen wir unser
Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit ernst.
Danke.
Keine Kommentare:
Kommentar posten