Es ist still
geworden. Wir sind, kollektiv, aus der Zeit gefallen.
Die gefüllt war mit
Besorgungen, Treffen, Besprechungen, Terminen, Abgaben. Wir feiern allein Geburtstag. Wir sterben allein in fremden Zimmern. Wir denken allein: Doch die Möglichkeit, diese Gedanken teilen, zu hören, auszusprechen,
ist geringer geworden. Nicht die virtuelle, ich spreche von der realen, an unsere Körper gebundene.
An unseren Atem,
die Bewegung unseres Brustkorbs, während wir jemandem eine Geschichte erzählen,
während die Worte anderer Bilder in unsere Köpfe zaubern. Das Pulsieren in
unseren Adern, während wir einander gegenüberstehen, einander halten, einander
versichern, dass wir existieren: durch Berührung. Haut, Poren, Haare, Finger, Münder.
Es ist still
geworden in der Welt, das hat auch sein Gutes.
Neben der
Unsicherheit, die aufsteigt, ein Gefühl des Schwimmens, in einem Fass ohne
Boden (woher werden die nächsten Förderungen kommen? wird man Projekte fördern,
die in der Fremde stattfinden? wann werden die Grenzen geöffnet?), hat sich in
dieser Stille, in diesem Warten, dieser bedingten Ruhe, ein Raum aufgetan.
In diesem liegt
die Möglichkeit von Kommunion. Wenn der Geist nicht mehr abgelenkt wird von
tausend Dingen, können sich seine Prioritäten neu ordnen. Erinnert man sich der
Texte, die einer Ruhe bedürfen. Ein Roman schreibt sich nicht von selbst.
Das Reisen in
Gedanken ist die schönste Freiheit, die ich mir vorstellen kann.
Das Reisen im
Äußeren nur ein Ausdruck dieses Inneren.
Es ist still
geworden.
Ich bin im
Kollektiv aus der Zeit gefallen, und in diesem Vakuum zurück in meinen Text.
In eine
Geschichte eingetaucht, die erzählt werden will, an der Hand genommen von einer
unsichtbaren Kraft, die jeden Schreibprozess begleitet. Das hat nichts
Religiöses, um Himmels willen, sondern etwas sehr Humanes, es bedingt nur eine
Zutat: Hingabe.
Dieses
Zauberhafte lässt Grenzen schwinden, lässt jede Enge weit werden.
Gedanken geteilt,
nur eben zeitversetzt. Aus der Zeit genommen, jetzt geschrieben für eine
spätere.
Später werden wir
wieder feiern, einander berühren, und auch sterben, aber nicht mehr allein.
Bis
dahin bleibt uns die Möglichkeit der Phantasie.
© Marianne
Jungmaier
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