Freitag, 2. Februar 2024

Das waren die Hommagen 2024

Ein Rückblick von Elisabeth Strasser

Nach einem Jahr Pause setzte sich die von Andreas Weber kuratierte und moderierte Reihe „Hommagen“ zwischen 17. und 31. Jänner 2024 im Linzer Wissensturm fort.

 

17. Jänner – Wilfried Steiner über Arthur Rimbaud

Im seinem Buch „Die wilde Fahrt des Arthur Rimbaud“ begab sich Wilfried Steiner bereits auf die Spur dieses faszinierenden Dichters. Im Rahmen der Hommage brachte er ihn dem Publikum nahe.

1870 macht sich der gerade sechzehnjährige Dichter (so konnte man Arthur Rimbaud in dem Alter bereits nennen) aus der Provinz auf nach Paris und sorgt dort – gleichermaßen als „Bauernlümmel“ wie als „seraphischer Jüngling“ gesehen – für Furore, an der Seite von u.a. Paul Verlaine. Mit nur 19 Jahren schließt er sein dichterisches Werk ab und beginnt ein abenteuerliches Leben, bereist Afrika und den Nahen Osten, handelt mit Silber, Elfenbein und Waffen. Aufgrund einer Knieverletzung wird ihm ein Bein amputiert. Er stirbt an einer daraus folgenden Infektion 1891 in Marseille mit 37 Jahren.

Das poetische Werk des jungen, anarchistischen, ekstatischen, gesellschafts- und religionskritischen Dichters wirkte einflussreich weiter. Beispielsweise bei Georg Trakl, Georg Heym, sowie Van Morrison, Bob Dylan, Patti Smith u.v.a.

Im Rahmen der Hommage stellte Wilfried Steiner insbesondere Rimbauds Gedicht „Le Bateau ivre“ (Das trunkene Schiff) in Auszügen samt vier Übersetzungen (u.a. von Paul Celan) vor. Dabei natürlich Thema die Herausforderung von Lyrikübersetzungen.

Beim Vortrag der französischen Originalauszüge assistierte Doris Herbsthofer.

 


24. Jänner – Elisabeth Strasser über unheimliche Literatur

Es war mir eine Ehre und Freude, bei den diesjährigen Hommagen ein persönliches Lieblingsgenre, die Literatur des Unheimlichen, vorstellen zu dürfen und das Publikum auf eine Reise durch die Zeit einzuladen. Reisebegleitend mit ihren unheimlichen Geschichten waren vor allem E.T.A. Hoffmann (der, wie ein Besucher hinwies, ausgerechnet an einem 24. Jänner geboren war – was natürlich kein Zufall sein konnte), Mary Shelley (deren „Frankenstein“ bei der Hommage am 17. Jänner nebenbei Erwähnung fand – womöglich ebenfalls durch übernatürlichen Einfluss) und schließlich Leo Perutz, mit dem wir die Reise nachts unter der steinernen Brücke beendeten, mit der Feststellung, der sog. „magische Realismus“ wurde nicht in Südamerika erfunden, wohin es zwischendurch einen Abstecher gab.

Anhand von Hoffmanns „Elixieren des Teufels“, mit Seitenblicken auf den „Sandmann“ und Sigmund Freuds Definition des Unheimlichen, gingen wir den Motiven unheimlicher Literatur nach und deren verschiedener Facetten, die vom ganz leichten Verunsichern, über das Schaudern und Gruseln bis zum Erklären durch natürliche Ursachen reichen. Oder bis zum völligen Offenlassen, was hinter „unheimlichen“ Geschehnissen steckt. Ja, auch Franz Kafka lässt sich der unheimlichen Literatur zurechnen.

Unheimliche Literatur trat nach der „Entzauberung der Welt“ in Folge der Epoche der Aufklärung auf. Am Schluss, gleichsam als Reiserückblick, stand die Überlegung, wieweit man heute – angesichts landläufiger Verschwörungsmythen und die dichterische Phantasie längst überholt habender Technologien – überhaupt noch Unheimliches bzw. Phantastisches schreiben soll/kann/darf. – Ja, doch, unbedingt. Gerade durch diese Literatur lässt sich die Realität samt ihrer Verkehrtheiten in verdichteter Form wahrnehmen. Lassen wir uns die Phantasie nicht nehmen; lesen und schreiben wir solche Geschichten, lautete das Abschlussplädoyer.


31. Jänner – Dominika Meindl über Martin Pollack

 

Im dritten Teil der Hommagen stellte Dominika Meindl einen Zeitgenossen vor, den 1944 geborenen österreichischen Schriftsteller, Journalisten und Übersetzer Martin Pollack.

Aufgrund ihrer persönlichen Bekanntschaft, ja Freundschaft mit ihm sprach sie mit besonderer Verve nicht nur über das Werk, sondern auch über Begegnungen und Gespräche, über seinen feinen Humor, sein Vögelbeobachten und Gärtnern – und wie er dabei im Garten eine alte Gabel aus der NS-Zeit fand.

Pollacks Biografie, als Sohn des SS-Sturmbannführers Gerhard Bast und Stiefsohn des ebenfalls dem Nationalsozialismus nahestehenden Malers und Grafikers Hans Pollack, spielt in seinem Werk eine wesentliche Rolle. So erzählt er in seinem Roman „Der Tote im Bunker“ (2004) die Geschichte seines leiblichen Vaters, der 1947 auf der Flucht von einem Schlepper nahe dem Brenner ermordet wurde. Martin Pollack machte „das Beste aus seiner biografischen Hypothek“ hieß es. Selbst entging er der NS-Ideologie durch seinen Aufenthalt in einem liberalen Internat.

Als Journalist u.a. für den „Spiegel“ war er als Korrespondent, u.a. in Polen und der CSSR (er berichtete im Jänner 1989 aus erster Hand von den dortigen Unruhen), tätig. Bekannt ist Pollack auch durch seine Übersetzungen des Werks von Ryszard Kapuściński. – In Polen und der Ukraine gilt er als recht bekannter Autor.

Kontaminierte Landschaften“ sind weiters ein wichtiges Thema seines Schreibens. Landstriche, in denen von politischen Ideologien Ermordete verscharrt sind – und vergessen. In dem Zusammenhang erzählt er in „Die Frau ohne Grab“ (2019) die Geschichte seiner Tante, die – mit einem Slowenen verheiratet – als 70-Jährige von Titos Partisanen ermordet wurde.

Wir müssen einander alle Geschichten erzählen“ stand als Motto über dem Vortrag. – Und so erzählt Martin Pollack alle Geschichten, besonders jene, die viele gerne vergessen würden.


Der Schluss aus den Hommagen

Der Rückblick zeigt eine Vielfalt an Texten, Themen und Genres. Ließ an bereits Bekanntes sich erinnern und es neu betrachten, oder anderes erst kennenzulernen.

Dank gilt der Volkshochschule der Stadt Linz und Christian Muckenhuber, der seit Jahren diese Reihe der Grazer Autorinnen Autorenversammlung betreut.


Bericht & Fotos: Elisabeth Strasser


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