Mittwoch, 21. Februar 2024

X-Blatt 21: Nach vorn zu den Ursprüngen. Waltraud Seidlhofer und Fritz Lichtenauer

Nachbetrachtung und Fotos von Dominika Meindl 

Covergestaltung: Herbert Christian Stöger

Einige Monate sind seit der Präsentation der 21. Ausgabe des X-Blattes vergangen (2. November 2023), doch das muss ja nicht heißen, dass wir darüber nicht mehr schreiben! Hinderlich ist höchstens die eigene Handschrift; die Entzifferbarkeit der an diesem Abend gemachten Notizen hat eine sehr kurze Halbwertszeit. Die Angaben erfolgen ohne Gewähr und mit der Einladung zur Korrektur im Kommentarteil.

Gut, dass die Enttäuschung gleich zu Beginn bekannt wird und von nun an verkraftet werden kann: Co-Herausgeber Kurt Mitterndorfer begrüßt und bedauert, dass Waltraud Seidlhofer erkrankt ist, nichts Ernstes zum Glück, aber ernst genug, um nicht persönlich nach Linz in die MERZ Galerie zu kommen. Fritz Lichtenauer aber ist da, in aller Frische und Freude. Eine Beobachtung gleich vorweg: Was beide Gründungsmitglieder eint, ist ihre fehlende Ich-Bezogenheit, das Gegenteil einer literarischen Egozentrik, aus der eine exakte Beobachtungsgabe sich speist. 

Die GAV wurde im vergangenen Jahr 50, Oberösterreich zockelt ein paar Jahre hinterher (nicht nur, was die Gründung einer Regionalgruppe 1987 anbelangt). Seidlhofer und Lichtenauer aber sind von Beginn an Teil der Versammlung. Das verdanken sie unter anderem Heimrad Bäcker, der sie in seinen Jugendclub für moderne Kunst lud, und gute Kontakte zur Wiener Gruppe hatte. Über seine "Neue Texte" ermöglichte er ab 1968 internationale Kontakte. Bald habe die Nachkriegsgeneration in Linz eine lebendige Szene geschaffen. 

Ein autonomes zweites PEN-Zentrum wurde trotz des Bemühens Ernst Jandls vom internationalen PEN abgelehnt, "es war ihnen zu extrem, was da mit Sprache gemacht wurde". 1973 fand die erste Versammlung in Graz statt, Bäcker war Delegierter für Oberösterreich. Er lud Seidlhofer und Lichtenauer zur zweiten Versammlung, der Rest ist quasi Geschichte. Schon im ersten Jahr wuchs die Zahl der Mitglieder auf 58 an. "Die GAV", so Lichtenauer, "hat sich schnell unglaublich verbreitert."

Herbert Christian Stöger, Co-Herausgeber der literarischen Heft-Reihe "X-BLATT", vertritt Waltraud lesend, es sind fünf Gedichte. Und wer sie kennt, hat ihren Ton im Ohr. "Als wären die Nächte sorgsam und klar."

Florian Neuner liest aus einem Katalog vom März 1976, "Beruhigungspunkte", in dem es heißt "Die Tiere beschränken sich auf ihre Käfige". Seidlhofers Prosa wie Lyrik klingt schon früh ganz nach ihr (blöder Satz, aber hoffentlich verständlich). So etwa in "Zeit Städte Spiel", in den "Texten zur Zeit" 1983. Hier "scheint [die Stadt] einen Punkt erreicht zu haben, an dem sie ohne Mensch zu existieren bereit ist." Computer müssen mit der schöpferischen Arbeit beginnen, weil ihnen die Menschen nacheifern. Neuner las zudem aus ihrem Prosa-Hauptwerk "Texte. Ein Erinnern" (1999). 

Fritz Lichtenauer spricht über seinen Zugang zur visuellen Poesie, dazu liest er Texte aus den frühen 60er und 70ern und "Memories" an Kollegen wie Artmann und Jandl. Zuerst hören alle ganz still und ernst zu, spätestens bei den Dialektgedichten "wenn ich nachts nicht schlafen kann, fange ich zu reimen an" werden die Folgen seines subtilen Witzes hörbar. "mama putzt weil vater schmutzt".

Mehr zum X-BLATT finden Sie auf unserer Website.

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