Montag, 20. Oktober 2025

Unsere Neuen

 

31. Oktober, 19:30 Uhr, Strandgut

Mit großer Freude präsentiert die GAV OÖ ihre neu aufgenommenen Mitglieder! Es ist uns eine Ehre, diese fünf Kolleg*innen in unserer Mitte begrüßen zu dürfen: Tamara Imlinger, Stefan Kutzenberger, Lucia Leidenfrost, Norbert Trawöger und Christian Weingartner. An diesem Abend stellen sie ihre Arbeit in kurzen Ausschnitten vor, dazu gibt es ein Gespräch. Im Anschluss gehen wir an die geschätzte Strandgut-Bar und pflegen das Miteinander.

Moderation: Dominika Meindl


Fotocredits: punktachtneun (Lucia), Reinhard Winkler (EnTe), Kaia Kutzenberger, Patricia Weingartner, Jasmin Walter, DM-Selfie - die schrecklich ungeschickte Montage stammt von Moderatorin Dominika Meindl

Dienstag, 24. Juni 2025

Die Bandbreite des Flusses

Nachschau zur Veranstaltung "Am Fluss". Text und Bild: Helmut Rizy 

„Am Fluss“ war in diesem Jahr das Thema der von Judith Gruber-Rizy gestalteten Lesung von Autorinnen und Autoren der GAV-OÖ im Kulturverein Strandgut, wobei die Bandbreite der Prosatexte wie auch der Lyrik von Tätigkeiten, die ein zünftiger Fischer nicht tun sollte, bis zur eindringlichen Schilderung der gefahrvollen Überquerung eines europäischen Flusses durch Flüchtlinge reichte. Mitgewirkt haben Siegfried Holzbauer, Kurt Mitterndorfer, Renate Silberer, Herbert Christian Stöger, Elisabeth Strasser und Erich Wimmer, ergänzt durch das Duo des Saxophonisten Franz Prandstätter und der Bassistin Christa Mittersteiner, die den gutbesuchten und stimmigen Abend klanglich abrundeten: 


 Die Organisatorin und Moderatorin Judith Gruber-Rizy: 


 Herbert Christian Stöger: 


 Renate Silberer: 


 Siegfried Holzbauer: 

Elisabeth Strasser (eingesprungen für Ines Oppitz):  


 Kurt Mitterndorfer: 

Erich Wimmer: 

Dienstag, 17. Juni 2025

Traum und Realität – und was so dazwischen ist


Barcelona Dream von Corinna Antelmann. Rezension von Christine Mack 

 

Was Frau nicht alles tut für ihren Traum, der verführerisch an Realitätsnähe gewinnt.

Während die Ich-Erzählerin mit der Bahn ihrem Barcelona-Traum entgegenreist, bleibt ihr Freund in der existentiellen Welt zurück.

Und Eva trifft tatsächlich auf den Star ihrer Träume (was ich beim Lesen anfangs bezweifelte, ob das tatsächlich passieren wird, da Realität und Traum verschwimmen). Aber ja, Eva kommt in Barcelona an und nähert sich langsam der Filmcrew, die von ihrem Star-Idol geleitet wird. Und diese lässt ihren Traum bröckeln – bis das Idol sich dem „Küken“ nähert, weil es kompetente Dinge sagt, die dieser Mann für seinen Film brauchen kann. 
Viele Seiten lang hielt ich beim Lesen den Atem an. Hoffend, die Protagonistin würde das böse Spiel durchschauen und Konsequenzen ziehen. 

Eva, schwankend zwischen der Filmwelt und dem fernen Leben mit ihrem Freund Oliver, will als Regisseurin wahr- und ernstgenommen werden. Auch mit dem Bewusstsein, dass sie ihr Wissen und Können an ihr Idol verschenkt. Und fast bete ich, ihrem Erwachen möge kein Alptraum vorangehen.

Wie die Protagonistin Eva ihre Lage und ihre Rolle reflektiert, ist der Autorin Corinna Antelmann trefflich gelungen. Obwohl der Roman sehr prekäre Themen behandelt (Missbrauch, Prostitution), hat die Sprache etwas Leichtfüßiges. Kein Drama, keine schier unüberwindbare Verstrickung. Und Eva hat Humor. So, wie sie sich betrachtet, mit ihrem Verhalten, ihrer Rolle und mit ihren Gefühlen, ist sie sicher. Sie steht zu den Verführungen - und trifft Entscheidungen. Ich liebte beim Lesen die Passagen, in denen die Autorin sich mit der Verwendung der Sprache und mit Begriffen auseinandersetzt. Und auch mit Fragen wie: Will ich mich besitzen lassen? 

 

Die Filmbranche ist für mich ein relativ unbekannter Ort. Erst die MeToo-Bewegung hat meine Aufmerksamkeit dorthin gerichtet. Was dort vor sich geht, dieser subtile Machtmissbrauch, erscheint mir nach Corina Antelmanns Schilderungen sehr realistisch. Ein wenig Ahnung habe ich nun, wie ein Film entsteht. Und wie er reißen kann. 

Montag, 5. Mai 2025

Am Fluss im Strandgut

 

 

Mittwoch

11. Juni 2025

19 Uhr 30

Am Fluss

Lesung mit Autorinnen und Autoren der GAV OÖ

Es lesen: Judith Gruber-Rizy, Siegfried Holzbauer, Kurt Mitterndorfer, Ines Oppitz, Renate Silberer, Herbert Christian Stöger, Erich Wimmer

Musik: Franz Prandstätter (saxophon), Christa Mittersteiner (bass)

Moderation und Organisation: Judith Gruber-Rizy


Kulturverein Strandgut, 4020 Linz, Alturfahr, Ottensheimer Straße 25 (Eingang Fischergasse)

Eine Veranstaltung der Grazer Autorinnen Autorenversammlung in Zusammenarbeit mit der GAV OÖ

Eintritt frei


 

Dienstag, 29. April 2025

Revolution der Verbundenheit. Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert. – Franziska Schutzbach

 


Liebe Franziska Schutzbach,

es birgt ein Risiko jemanden persönlich zu treffen, dessen Werk uns begeistert. Denn Begeisterung ist das, was ich bei der Lektüre deines Buches empfinde. Kein Wunder: Eine promovierte Sozialwissenschaftlerin veröffentlicht ein feministisches, fundiertes, gut argumentiertes Sachbuch in einem großen deutschen Publikumsverlag.
„Revolution der Verbundenheit“ ist nicht redundant, wie das bei so vielen populären Sachbüchern der Fall ist. Es vermittelt Wissen, das mir neu ist. Es formuliert Gedanken, die mich ebenso beschäftigen. Um nicht zu sagen: Du sprichst mir aus der Seele. Und nicht zuletzt: Dein Buch gibt (mir) Hoffnung und aktiviert mich!

Denn so wie du frage ich mich mitunter: „Was sollen Texte, was sollen Worte noch bewirken?“ (S.11) Auch ich bin überzeugt, dass die Kritik am Bestehenden alleine nicht weiterhilft, sondern dass es „Ideen von einem besseren Leben, von gutem Arbeiten, von Teilhabe und Selbstbestimmung – und einem Stück Lebensglück“ (S. 21) braucht.

Du setzt dich damit auseinander, welche Rolle Frauen bzw. FLINTA*-Personen im Kampf um eine gerechtere Welt gespielt haben und spielen könn(t)en. Mir gefällt die Idee, dass von ihnen, dh. von uns, eine Revolution ausgehen kann. Ich finde es gut, dass du die Differenzen, die Schwierigkeiten, die Unterschiede zwischen Frauen bzw. FLINTA*-Personen keineswegs aussparst und dennoch aufzeigst, wie Frauen in der Vergangenheit „Transformationen durch Beziehungen und Bündnisse bewirkt haben.“ (S.229)

Neben „Freundschaft“ beschäftigst du dich mit „Frauenbeziehungen in Familien“ und mit der „Revolution der Liebe.“ Im Kapitel zu „Sisterhood“ kommst du – mit Bezug auf Adorno, Dagmar Wilhem und vielen anderen – zum Schluss:

Der stärkste Gegner einer faschistisch-patriarchalen Gesellschaft ist die menschliche Fähigkeit, das Leiden anderer Lebewesen nachzuempfinden und der daraus resultierende Gerechtigkeitsimpuls, dass das Zufügen von Leid falsch ist. Der Erfolgt autoritärer Politik, die Legitimität von (Frauen)Unterdrückung und Diskriminierung hängt maßgeblich davon ab, wie weit der Mensch von Impuls der Solidarität abgebracht werden kann.“ (235)

Sehr weit, wie sich allerorts zeigt.

Das letzte Kapitel „Weibliche Verweigerung: Separatismus, Autonomie und Ausstieg“ beginnst du mit einem Brief an die Autorin Mareike Fallwickl, deren Texte du als große Gegenentwürfe bezeichnest.

Und hier sitzt du nun in Linz (Central, 25.3.25), zwei Reihen vor mir. Während Fallwickel vor ihren Fangirls gegen das Patriarchat performt, frage ich mich, ob ich neidisch auf Fallwickls Popularität bin und wie wir es anstellen könnten, nicht immer nur zu Bekehrten zu predigen.
Gespannt warte ich auf deine Lesung, deine Redebeiträge. Herausfordernd sei dein Buch schon, flüstert mir meine Sitznachbarin dann ins Ohr und später: „Die spricht ja wie gedruckt.“ Ja, deine gesprochenen Sätze sind ebenso klar wie deine geschriebenen. Immer wieder betonst du, dass es Arbeit ist, für Veränderung zu kämpfen und dass es nicht konfliktfrei vor sich gehen wird.

Und ja, auch ich habe dein Buch nicht an einem Tag gelesen, sondern währenddessen innegehalten, nachgedacht, genickt, unterstrichen und mich an mein sozialwissenschaftliches Studium erinnert. In einer meine Schreibgruppen habe ich die Teilnehmenden Briefe an wichtige weibliche Bezugspersonen schreiben lassen, so wie du es am Beginn eines jeden Kapitel tust.

Ich habe dein Buch empfohlen und verschenkt und daraus zitiert und dann stehe ich schließlich vor dir, mit meinem Exemplar und einem für meine Nachbarin. Übrigens: Ein Kapitel über gute Nachbarinnenschaft wäre auch noch spannend.

Du bist sehr groß im Vergleich zu mir. Ich danke dir für dieses Buch und bitte dich, gemeinsam mit Mareike eine Partei zu gründen. Ich wäre sofort dabei, sage ich.
Ihr dachtet eher an eine Band, gibst du zurück.
Du lachst, ich lache mit, auch wenn es mir insgeheim leidtut, weil ich zu einer Band nichts Aktives beitragen kann. Aber ich weiß, wir anstrengend es sein kann, direkt nach Lesungen und Diskussionen noch mit Fans sprechen zu müssen. Außerdem bist du laut Klappentext „eine der bekanntesten und gefragtesten feministischen Stimmen im deutschsprachigen Raum“ (S.2) Zu Recht, wie ich meine.

Ich verbleibe also in Begeisterung,
als interessierte Leserin und Kollegin
und auch wenig Fangirl,
            
Barbara Rieger

P.S.: Die Briefform hat mich inspiriert.

Mehr zum Buch: https://www.droemer-knaur.de/buch/franziska-schutzbach-revolution-der-verbundenheit-9783426279045

Mehr zur Autorin: https://www.franziskaschutzbach.com/

Mehr zur Rezensentin: https://www.barbara-rieger.at/

Dienstag, 8. April 2025

Das waren die Hommagen 2025

Ein Rückblick von Elisabeth Strasser

Die Reihe, in der heimische Schriftsteller:innen über von ihnen verehrte, bewunderte, geschätzte Größen der Literatur sprechen, sie vorstellen oder in Erinnerung rufen, wurde – wiederum kuratiert, moderiert von Andreas Weber und stattfindend im 15. Stock des Linzer Wissensturms – an drei aufeinanderfolgenden Mittwochen im März 2025 fortgesetzt.

12.3.2025: Margit Schreiner über Sabine Scholl

19.3.2025: Walter Kohl über Leonard Cohen

26.3.2025: Rudolf Habringer über Patricia Highsmith

Einige Einblicke

Es ging um persönliche Zugänge, etwa wenn Margit Schreiner biografische Parallelen mit der von ihr vorgestellten Sabine Scholl feststellte: Beide in Oberösterreich geboren, gehören der gleichen Generation an, beide lebten und arbeiteten in verschiedenen Ländern (von Japan über Frankreich bis USA u.a.) – oft denselben, allerdings nicht gleichzeitig. Beide sind Mütter, die ihre Zeit fürs Schreiben mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren hatten. Beide beschäftigen sich mit autobiografischem Schreiben. – Als Motto über der Hommage stand „Der Mensch als Frau“. Die Frage, was es mit sogenannter „Frauenliteratur“ auf sich hat, und wie sich ein Roman ohne im Text agierende männliche Figuren gestalten lässt, war Thema, genauso wie Sabine Scholls Interesse für Benachteiligte, Randgruppen und die Sprache jener, die keine Sprache haben.

Margit Schreiner im Gespräch mit Moderator Andreas Weber

Wir sind die Früchte des Zorns“ lautet der Titel von Sabine Scholls autobiografischem Roman, den Margit Schreiner insbesondere präsentierte. Eine Besonderheit dabei ist, dass ausschließlich die Frauen dieser Geschichte als agierende Personen vorgestellt sind, die Männer nur als deren nebenbei-Anhang – wie traditionell Frauen oft bloß als „Anhängsel“ eines Mannes und in Beziehung zu ihm dargestellt wurden. Wenn etwa vom Ehemann der Hauptfigur die Rede ist, so wird dieser als „Odettes (Name der Schwiegermutter) Sohn“ bezeichnet. Dennoch gehe es in Sabine Scholls Werk nicht darum, „es den Männern heimzuzahlen“, es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern bloß um die Auslassung ihrer ansonsten so oft vorrangig dargestellten Positionen.

Thema in Sabine Scholls Werken sind auch der Kolonialismus und seine Auswirkungen. So stand sie in ihrer Zeit in den USA etwa mit Chicanos/Chicanas in Kontakt, das sind aus Mexiko in die USA Eingewanderte mit ihrer speziellen Kultur.


Walter Kohl vergegenwärtigte Leonard Cohen-Songs mit Gitarre und Mundharmonika – gesanglich unterstützt von seiner Frau Christiane Marina Kohl – und unterlegte am Schluss Cohens berühmtes „Halleluja“ mit seinem (kürzlich bei der „Langen Nacht der GAV“ vorgetragenen) Mundarttext „A Glashausgurkn möcht i sein“.

Walter Kohl erzählt, bevor er zusammen mit Christiane Marina Kohl wieder zu singen anhebt

Dazu gab es interessante Aspekte zu den Hintergründen einiger Songtexte zu erfahren, und Cohen wurde auch als Romanautor vorgestellt. Denn – obwohl er in seiner Jugend bereits in einer Band spielte (insbesondere, um Mädchen zu beeindrucken) – begann der 1934 in Kanada in eine gutbürgerliche jüdische Familie geborene Leonard Cohen seine Karriere als Dichter und auch Romanautor, bevor er sich hauptsächlich der gesanglichen Interpretation seiner Lyrik zuwandte.

Zwei Romane wurden an dem Hommagenabend erwähnt: Das Lieblingsspiel/The Favourite Game (1963) und Schöne Verlierer/Beautiful Losers (1966). – Ersterer wurde bezeichnet als „Roman für pubertierende männliche Jugendliche – in deren Lebensvorstellung Sex die Erlösung darstellt“. Bei zweiterem werden vier Personen vorgestellt, ein Paar samt dessen Freund, mitsamt „Sex & Drugs“, und dazu Kateri/Catherine Tekakwitha, eine Angehörige der Mohawk aus dem 17. Jh., die nach einer Pockenerkrankung in einem Kloster aufwächst, als „virgo consecrata“, d.h. geweihte Jungfrau, lebt und schließlich heiliggesprochen wird. Ihre Geschichte verschränkt sich mit jener der weiteren drei Hauptfiguren.

Besonders berührend war, den Hintergrund des vorgetragenen Songs „Who by Fire“ zu erfahren: Leonard Cohen trat während des Jom-Kippur-Krieges 1973 vor israelischen Soldaten auf. Da konnte geschehen, dass jene, die ihm zuhört hatten, wenige Stunden später tot waren. Davon und durch den jüdischen Gebetstext „Unetanneh Tokef“ inspiriert, entstand das Lied. Während der jüdische Text – nachdem verschiedenste Todesarten genannt sind – letztendlich auf die Größe Gottes hinausläuft, endet bei Cohen jede Strophe mit der offenen Frage: „And who shall I say is calling?“

Wie aus einer notierten Skizze nach einer eindrucksvollen persönlichen Begegnung ein Roman entstehen kann, damit beschäftigte sich Rudolf Habringer anhand der Entstehungsgeschichte des Romans „Das Salz und sein Preis“ von Patricia Highsmith unter anderem in seiner Hommage. Dieser 1952 zunächst unter Pseudonym veröffentlichte Roman, in dem es um eine lesbische Liebesbeziehung, die glücklich endet, geht (was zu der Zeit als doch etwas „problematisch“ galt), wurde rund 30 Jahre später unter dem eigenen Namen der Autorin neuerlich veröffentlicht und mit dem Titel „Carol“ verfilmt.

Rudolf Habringer stellt Skizze und Roman gegenüber

Das Besondere an diesem Roman ist, dass er sich von anderen berühmteren Erzählungen der Autorin unterscheidet, in denen es um Verbrechen geht, die jedoch keine klassischen Kriminalgeschichten mit Ermittlern sind. Denn nicht die Auflösung des Kriminalfalls interessiert sie und stellt sie der Leserschaft vor, sondern das Dunkle, die kriminellen Anlagen, die in jedem Menschen vorhanden seien. Highsmith arbeitete eine Zeit lang als Texterin in einer Comic-Agentur und nicht alle ihrer Bücher wurden sofort von Verlagen angenommen. Einer ihrer bekanntesten Romane „Zwei Fremde im Zug“, der bald nach Erscheinen von Alfred Hitchcock verfilmt wurde, und der allzu berühmte „talentierte Mr. Ripley“ (aus der Reihe gibt es fünf Romane und etliche Verfilmungen) wurden – ihrer allgemeinen Bekanntheit wegen – nicht näher vorgestellt. Dafür gab es Einblicke ins Privatleben der Autorin, das gut bekannt ist aufgrund ihrer mehrere tausend Seiten umfassenden Tagebücher, die sie für Veröffentlichung vorsah, so wie sie ihren gesamten schriftlichen Nachlass dem Diogenes Verlag hinterließ. Dabei geht es unter anderem um ihre (gelinde gesagt) „schwierige“ Beziehung zu ihrer Mutter, ihre zahllosen Liebesaffären mit Frauen, ihre Alkoholsucht, ihre Manie des Listen-Schreibens und ihr Schreibpensum von acht Seiten täglich.

Mit der für die Hommage vorbereitenden Lektüre der über 1000 Seiten starken Patricia-Highsmith-Biografie von Joan Schenkar („Die talentierte Miss Highsmith“) hat Rudolf Habringer ein beachtliches Pensum bewältigt und damit der Zuhörerschaft das Leben und Werk dieser faszinierenden Schriftstellerin eindrucksvoll nahegebracht.

Information und Inspiration

Informationen über die Vorgestellten lassen sich heute – dank Internet – leicht und schnell bekommen. Biografien der Autor:innen und Näheres zu deren Werken lassen sich z.B. auf Wikipedia zumindest im groben Überblick nachlesen. Es finden sich – beispielsweise auf Youtube – Filmportraits der Berühmtheiten, Aufnahmen ihrer Auftritte oder auch Verfilmungen/Hörfassungen ihrer Romane.

In dieser Fülle an Information braucht es trotzdem und gerade Orientierung. Die „Hommagen“ taugen somit ganz besonders dazu, durch persönliche Zugänge der Vortragenden aufmerksam gemacht zu werden, sich mit der einen oder anderen bedeutenden Persönlichkeit (wieder) näher zu beschäftigen, sie entweder überhaupt erst kennenzulernen oder neue Facetten an ihr zu entdecken. Und wenn das alles von Menschen kommt, die einem persönlich gegenübersitzen, wo noch dazu Möglichkeit zu Fragen und Gespräch besteht, ist das noch einmal etwas ganz Besonderes – und Inspiration. – Das ist das Wunderbare an einer Life-Veranstaltung.

Eine Menge Anregungen – Was ich aus den Hommagen mitgenommen habe

Sabine Scholls Zugang der Auslassungen etwa gibt Impulse zum Weiterdenken. Ebenso die Überlegungen zum Begriff „Frauenliteratur“, der eigentlich schon längst als überholt gelten sollte. – So wie im Vortrag gesagt wurde: Es wird schließlich auch kein Autor als „Männerschriftsteller“ bezeichnet.

Patricia Highsmith könnte man sich in Originalsprache zu lesen vornehmen, da über ihren Schreibstil (von ihren Zeitgenossen) gesagt wurde, auch Schulkinder fänden sich damit leicht zurecht.– Vor allem aber interessant scheint (besonders für selbst literarisch Schreibende) ihr Essay „Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt“.

Was Leonard Cohen betrifft, habe ich mir nach der Hommage etliche seiner Songs angehört, erstmals oder wieder neu mit neuem Wissen um Hintergründe. – Vor allem einige Aufnahmen seines Konzerts 2013 in London – wo jene Antwort auf eine wichtige Frage vorkommt, die Walter Kohl erwähnte. Diese sei an der Stelle nicht verraten für jene, die nicht bei der Hommage dabei waren. Lässt sich aber nach Anhören der Aufnahme rausbekommen.

Von Patricia Highsmith stammt der Ausspruch, mit dem sie wohl auf ihre eigene Kindheit anspielte: Wer mit einer glücklichen Kindheit gesegnet sei, werde fast nie ein guter Autor.

Da ist etwas dran, denn gerade das Schwere, Brüche im Leben, führen oft dazu, dass Großartiges entstehen kann. – Das wissen wir wohl als Menschen alle, gleich ob wir (bekannte) Autoren/Autorinnen sind oder nicht.

Eindrücklich kommt dieser Gedanke in Leonard Cohens Poem „Anthem“ zum Ausdruck:

Da ist ein Riss, ein Sprung (a crack) immer wieder da, doch gerade durch diesen kann Licht eindringen: wirkliche Freude, Erneuerung, große Kunstwerke, alles, was das Leben schön und lebenswert macht.

Als Abschluss dieses Beitrags sei der Refrain zitiert. Es lohnt sich, die Aufnahme des Londoner Konzerts anzuhören, wo Leonard Cohen den Refrain anfangs mit seiner eindrucksvollen Stimme spricht: Leonard Cohen - Anthem (Live in London)

Ring the bells that still can ring / Forget your perfect offering

There is a crack, a crack in everything / That’s how the light gets in.


Text und Fotos: Elisabeth Strasser

Mittwoch, 19. Februar 2025

Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen. Essays. Eine ungeordnete Kulturgeschichte der Natur – Bettina Balàka

 

In diesem 2024 erschienenen Essayband setzt sich die vielseitige Autorin Bettina Balàka mit unserem Verhältnis zu Natur auseinander. Gekonnt verbindet sie Bekanntes und gerne Verdrängtes mit weniger Bekanntem und Persönlichem und regt nachhaltig nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Nachfühlen an.

Schon im ersten kurzen Beitrag „Zoobesuch mit Kinderschnitzel“ erklärt sie anschaulich die kognitive Dissonanz, die unser (gegenwärtiges, westliches!) Verhältnis zur Natur prägt: „Kognitive Dissonanz entsteht bei nicht miteinander zu vereinbarenden Haltungen und Handlungen. Man will nicht, dass Tiere leiden, will aber trotzdem Fleisch essen. Dieser psychologische Konflikt löst unangenehme Gefühle aus, man versucht ihn mit allen Mitteln zu vermeiden. Niemand könnte sich noch amüsieren, wenn das Schreckliche sichtbar würde.“ (S. 17f)

Und doch gelingt es der Autorin im vorliegenden Band auf wundersame Weise trotz der Schrecklichkeiten, die sie uns gut sichtbar serviert, einen Rest Amüsement zu bewahren. Es ist nicht (nur) der Spaß daran, den Finger in die Wunde zu legen oder gelegt zu bekommen oder der Genuss an der zielsicheren Handhabung des Skalpells der Sprache. Vielleicht ist es eine gewisse Freude an der (Selbst-)Erkenntnis?

Im längsten, härtesten und für mich zentralen Essay „Nicht Fisch, nicht Fleisch: Wenn Bewusstmachung die Geschmacksnerven verändert“ erzählt die Autorin, dass sie (ebenso wie auch ich, die Rezensentin) Fleisch liebte und das, obwohl sie schon als Jugendliche im Hühnerstall mitarbeitete. „In meinem Kopf gelang es mir, eine Mauer einzuschieben zwischen dem Anblick im Hühnerstall und dem Anblick auf meinem Teller, so wie man es eben machen musste, wenn man satt werden wollte.“ (S. 89)

Das Unbehagen stellte sich schleichend ein. Persönlicher Kontakt mit den Turopolje-Schweinen bei einer Feier auf einem Weingut: „Bevor man das Fleisch aß, konnte man sich vergewissern, dass es ihnen gut ging. Ich vergewisserte mich, dass es ihnen gut ging, und konnte sie nicht mehr essen.“ (S. 74). Die Begegnung mit einer kommunikativen Sepia während eines Tauchgangs und schließlich der Dokumentarfilm „The End of Meat“. Bettina Balàka wurde zur Vegetarierin und obwohl sie andere nicht direkt überzeugen möchte, es ihr gleichzutun, führt sie uns vor Augen: „Das Nahrungsmittel Fleisch ist tief verwurzelt in unserer Geschichte und Kultur“ (S.85), unser heutiger Umgang damit ist – ich, die Rezensentin kann nicht anders, als es hier so polemisch zusammenzufassen – schlichtweg krank. Und als Ansatz für einen anderen Umgang – in den Worten der Autorin, die es auf den Punkt bringen: „Hühner haben Gefühle. Menschen auch.“ (S.91)

In einem weiteren Beitrag mit dem Titel „In andere Häute schlüpfen: Empathie in der Literatur“ analysiert Balàka literarische Auseinandersetzung mit Tieren, wie z.B. „The Terrapin“ von Patricia Highsmith, „Die Spitzin“ von Marie von Ebner-Eschenbach oder „Black Beauty“ von Anna Sewell, und zeigt unterschiedliche Möglichkeiten des Unverständnisses, der Grausamkeit und der Einsicht auf.
Im längeren Essay „Kraut und Unkraut: Vom Anbauen und Verbauen“ verwebt sie subjektive Erfahrungen mit historischen Informationen, wissenschaftliche Erkenntnisse mit Glaubenssätzen unserer kapitalistischen Gesellschaft und weist uns als Draufgabe mittels literarischer Beispiele auf die Gleichsetzung des Weiblichen mit der Natur hin. Eines ist jedenfalls – ganz unpolemisch – klar: Der gesellschaftliche Umgang mit Natur ist nicht nur paradox, sondern in höchstem Maß destruktiv.

„Die Zerstörung der Wildnis und der Transfer von Flora und Fauna“, „Tiere auf der Flucht“, „Geister im Naturhistorischen Museum, Lerchen und Lercherln in Wien“ und die „Wiederentdeckte Naturaliensammlungen des Stifts Seitenstetten“ sind Themen, mit denen sich die Autorin auseinandersetzt. Im letzten Essay outet sich sie als „Beaver believer“. Zum Thema Biber ist übrigens von der Autorin auch ein Naturschutz-Krimi für Kinder erschienen (Leykam 2021).

Als „ambivalent“ bezeichnet Balàka das Verhältnis des Menschen zur Natur im Vorwort. Mit „toxic relationship“ wirbt der Klappentext. Während ersteres mir nach der Lektüre fast als beschönigend erscheint, ist zweiteres irreführend, legt es doch nahe, dass „die Natur“ die Beziehung zum Menschen verlassen oder auflösen könnte. Doch kann sie das? Findet das Leben, wie im berühmten Film „Jurassic Park“ (1993) gesagt wird, immer einen Weg? Wollen wir es hoffen?


Barbara Rieger, Februar 2025


Bettina Balàka: Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen. Essays. Ein ungeordnete Kulturgeschichte der Natur Innsbruck: Haymon Verlag 2024
2013 Seiten
22,90 EUR
ISBN 978-3-7099-7039-3
 

Mehr zum Buch: https://www.haymonverlag.at/produkt/vom-zaehmen-ausbeuten-und-bestaunen/
Mehr zur Autorin https://bettinabalaka.wordpress.com/
Mehr zur Rezensentin: https://www.barbara-rieger.at/


Unsere Neuen

  31. Oktober , 19:30 Uhr, Strandgut Mit großer Freude präsentiert die GAV OÖ ihre neu aufgenommenen Mitglieder! Es ist uns eine Ehre, diese...