Von Elisabeth Strasser
5. Juni 2019, Kultur-Lokal Standgut, Linz-Urfahr
Eine Veranstaltung der Grazer Autorinnen
Autoren Versammlung (GAV) in Zusammenarbeit mit der GAV-Regionalgruppe OÖ.
Bereits Tradition
hat der literarische Austausch der GAV zwischen den Bundesländerorganisationen.
An diesem lauen
Sommerabend traten Regina Hilber und Thomas Schafferer aus Tirol zusammen mit dem Oberösterreicher Kurt
Mitterndorfer in dem für Lesungen und Konzerte bestens geeigneten Lokal
„Strandgut“, direkt am nördlichen Donauufer, auf. Moderiert wurde die Lesung von
Corinna Antelmann.
Das Thema des
Unterwegsseins – ob freiwillig, um die Welt kennen zu lernen, oder unfreiwillig
auf der Flucht – zog sich durch den Abend.
Im Zusammenhang mit
ihrem Aufenthalt in Beeskow
(Ost-Brandenburg) als
Burgschreiberin entstand das Buch „Palas“ von Regina Hilber, aus dem sie
Auszüge las. Das Umschlagbild des Buches zeigt die BurgschreiberInnen-Wohnung, die sie als erste nutzen durfte, im Zustand vor dem
Einzug. Einiges Weitere ist bei diesem Aufenthalt in der Ferne von ihr
geschrieben worden, „Palas“ beschäftigt sich mit den unmittelbaren Eindrücken
des Daseins für sechs Monate im Osten Deutschlands. Von Begegnungen und der Sprache
und Mentalität der Menschen dort ist die Rede, etwa indem die Burgschreiberin
von einer regionalen Zeitung als „groß ist sie, schlank und sehr aufgeschlossen
– die neue Burgschreiberin von Beeskow“ beschrieben wurde. Dieses
„aufgeschlossen“ deutet gewisse Mentalitätsunterschiede an. Von der in
DDR-Zeiten am Reißbrett entstandenen Eisenhüttenstadt wird erzählt, in der
gerade ein Film gedreht wurde, der am Tag des Todes von Stalin handelt. Durch
diesen Zufall erhielt die Autorin sogar eine kleine Rolle in dem Film. Durchsetzt
sind diese kleinen Episoden von Gedichten, darunter eines in der Mundart der
besuchten Gegend.
Thomas Schafferer
stellte vor allem sein Buch „500 Polaroids“ vor. Man kann es als „großes Werk“
oder auch als „Ziegelstein“ bezeichnen – wie er selbst sagte – dem Umfang des
Buches angemessen. Etwa 20 Jahre hat der Autor daran gearbeitet. Es sind
Momentaufnahmen – wie die Polaroids einer Sofortbildkamera –, die einzelne
Stationen quer durch Europa oft mit witzigen Wortspielen ins Bild bannen. Von
den zig-Tausend Grasbüscheln, den Reihern und anderen exakt abgezählten Vögeln
samt Ornithologen und einer Mücke im Auto, das in einem Graben in der
französischen Provinz landet; über die Bier-Weltmeister in Tschechien bis zur
Metall-Hard-Rock-Szene in Helsinki reicht das Panorama. Auch Linz kommt vor,
und der „Leberkäs-Pepi“ regte zu einem vorgetragenen Text (zwar nicht aus
diesem Polaroids-Buch) an.
Einige seiner
Texte wurden vertont – etwa von „Wortfreunde Stiller“ – und auch in Übersetzung
ins Französische, dazu waren Hörproben bei der Lesung zu genießen.
Kurt
Mitterndorfer – der Oberösterreicher zwischen den Tirolern – las einen Auszug
aus seinem – noch in Weiterarbeit befindlichen – Text „Geh, geh einfach“, in
dem eindrücklich vom Unterwegssein von Flüchtenden die Rede ist. Sein
Engagement für den von ihm begründeten Verein „Zu-Flucht“ bildet die Grundlage
dieser aus erster Hand von seinen Schützlingen vermittelten und literarisch
verdichteten Erfahrungen.
Weiters las er unveröffentlichte
Miniaturen, in denen von bereits integrierten Menschen mit
Migrationshintergrund erzählt wird. Kleine Episoden aus deren Alltag –
gleichermaßen witzig wie nachdenklich –, die durch den eindrucksvollen Vortrag,
das Nachahmen der Sprache der Menschen, lebendig wurden.
Corinna
Antelmann, die Moderatorin des Abends, führte nach den Lesebeiträgen kleine und
für die Zuhörenden ausgesprochen interessante Interviews mit der Autorin und
den Autoren, und verwies dabei immer wieder auf Odysseus, den Prototyp des
Unterwegs-Seienden, der am Ende doch wieder nach Hause kommt oder auch: bei
sich ankommt.
Kurt
Mitterndorfer erzählte davon, wie er auf seine Miniaturen kam: „Einfach genau
zuhören.“ Auf berührende Weise schilderte er die Begegnung mit einem
Flüchtenden aus Syrien, der ganze drei Tage und Nächte nichts als gegangen war.
An den Straßenmarkierungen erkannte er, dass er die Grenze nach Österreich
überschritten hatte.
Thomas Schafferer
erzählte von der Geborgenheit, die seine Heimat in den Bergen nahe am Brenner
ihm vermittelt. Und auch von seiner Liebe zu Italien, das er oft besucht.
Regina Hilber antwortete
auf die Frage, ob ein sechsmonatiger Aufenthalt nun etwas von Unterwegssein oder
doch schon von zumindest zwischendurch Ankommen hatte, dass der Aufenthalt in
Deutschland schon mehr als eine Reise, aber noch weniger als bereits Heimat
bedeutete. Aber eine Verbundenheit mit dem Ort stelle sich nach einem halben
Jahr dann doch her ...
Der rundum
gelungene Literaturabend klang noch aus mit angeregten Gesprächen zwischen den
BesucherInnen und den AutorInnen vor dem Lokal am Donauufer.
Wer nicht dabei
war, hat etwas versäumt …
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