Von Johann Kleemayr
21. Mai 2019 im Stifterhaus
Organisation und Moderation: Rudi Habringer
Angelika Ganser und Renate Silberer
Eine Veranstaltung der GAV OÖ.
Die Autorinnen Angelika Ganser und Renate Silberer haben ihr literarisches Schaffen am 21. Mai 2019 im Linzer Stifterhaus vorgestellt.
Zur gleichen Zeit lief im ORF die Übertragung der Rede des Bundespräsidenten zum Ende der türkis-blauen Regierungskoalition und den bevorstehenden Neuwahlen. Rudi Habringer nahm in gewohnt einfühlsamer und souveräner Art diesen Ball auf und spielte ihn an das Publikum und die beiden Autorinnen weiter.
Angelika Ganser und Renate Silberer sind Autorinnen der mittleren Generation, 1979 bzw. 1975 geboren, beide können schon auf einige Publikationen verweisen.
Angelika Ganser begann ihre Karriere in Wien, wurde von Inszenierungen am Burgtheater oder in der Josefstadt für ihr Schreiben inspiriert. Erwähnt wurde Frank Castorfs Inszenierung von „Richard III“ und eine Heiner-Müller-Inszenierung. Auch Filme von Jarmusch waren für Ganser wichtig. Ihre Texte verstehen sich als Dekonstruktion solcher Erfahrungen, wobei auch Ansätze von Friederike Mayröcker oder Peter Handke wichtig waren. Im Bereich der Musik lassen sich Verbindungen zur Musik von Olga Neuwirth herstellen, eine Art kreisendes Schreiben ohne Zentrum ist für die Arbeiten von Angelika Ganser bestimmend. Ein assoziatives Verfahren, sprachkritisch, experimentell.
Angelika Ganser ist eine sehr langsame Schreiberin. Ein Text, den sie für die Lesung im Stifterhaus geschrieben hat, hat 3 Wochen in Anspruch genommen (eine Seite). Wenn man sich auf ihre Texte einlässt, versteht man, dass solche Texte Zeit brauchen. Hier wird Leben und Lebensgeschichte zerhackt, gekocht und ästhetisch zubereitet. Guten Appetit!
Ihre „Prosaskizzen“ sind eine Art posthumer Biografie: „Zu meiner Lebenszeit ist mir der Faden entglitten“, schreibt Ganser. Schreiben als lebensnotwendige Tortur voller geheimer und offener Freuden!
Auslöser für ihr Schreiben war die Ausbildung zur Feldenkrais-Lehrerin. Sie entdeckte eine völlig andere Weltsicht. Von der Bewegung ausgehend, änderte sich ihr Lebensgefühl. Die gewohnte Sprache wurde fremd. Sie erlebte sich plötzlich als ausgewandert. Was stimmt da noch zusammen?
In Wien hat Silberer mit psychiatrisch betreuten Menschen gearbeitet und Feldforschung betrieben. Wie ist das, wenn man sich in seiner Sprache nicht mehr zurecht findet?
Ihr Roman „Das Wetter hat viele Haare“, im Verlag krenmayr&scheriau 2017 erschienen, ist voller surrealistischer Elemente, eine Art Spurensuche, eine Bewegung in eine neue Welt.
Im Mittelpunkt steht ein Geschwisterpaar, es geht um Karli, der kein Karli mehr sein will, für den Charly ok ist, obwohl er am liebsten Karl genannt werden möchte. Er hat eine Axt im Gepäck, die den Urlaub im eigenen Wohnzimmer ganz schön bedrohlich erscheinen lässt.
Zum Schluss las Renate Silberer einige Gedichte, von einer Armee roter Ameisen, einem sanften Apfel, der einen Berg hinunter rollt und einem Kind, das seinem Mörder folgt.
Oder 3 Kälber-Gedichte mit zwei bis drei Butterbroten und einem Maulwurfshügel als einem Schlupfloch für später.
Ein GAV-Abend für Feinschmecker war das. Verstecken war gestern!
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