Von Dominika Meindl
Alle zwei Jahre hofft und bangt unsere Regionalgruppe, welche neuen Mitglieder uns gewährt werden (vielleicht werden uns auch irgendwann einmal welche „erspart“, aber zu diesen gar zynischen Gefühlen ist es noch nie gekommen). Biennal können sich die schreibenden Menschen Österreichs um eine Aufnahme in die GAV (Grazer Autorinnen Autoren Versammlung) bewerben. 2021 ist unsere Bande um zwei Kolleginnen verstärkt worden. Es ist uns eine Ehre, regionalen „Anspruch“ auf Lisa-Viktoria Niederberger und Karin Peschka erheben zu dürfen. Mit diesen beiden hervorragenden Schriftstellerinnen sind wir nun also 70 geworden.
Zu siebzigst hat man noch Träume. Etwa den einer anständig dotierten Investition in die Literatur des Landes, in ein Landesliteraturschulwerk, und ja, in eine vernünftige Pandemiepolitik. Unser Forderungspapier hat kaum an Dringlichkeit verloren. Denn wir wollen wachsen. Viel zu wenige von uns können von ihrer Arbeit leben, und das liegt nicht an der Qualität unserer Arbeit.
Was wiederum ein gutes Stichwort ist, um zu unseren neu aufgenommenen Kolleginnen zurückzukommen. Was beide eint, ist ein Engagement, das über die reine Arbeit an eigenen Texten hinausgeht, nämlich die Freude an Zusammenarbeit und der Wille, die Bedingungen der eigentlichen literarischen Arbeit zu verbessern.
Lisa-Viktoria Niederberger ist vor wenigen Jahren nach Linz zurückgekehrt, was viel zu selten vorkommt (die meisten unserer KollegInnen mit Wurzeln in OÖ leben aus guten/pragmatischen Gründen in Berlin oder Wien). Niederberger aber hat das Zentrum ihres Lebens und ihrer Arbeit nach Linz gelegt. Das allein reicht als Grund noch nicht aus, um das Kunstförderstipendium der Stadt zu bekommen, aber die Qualität ihrer Texte ließen keinen Zweifel. Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit Barbi Marković, Ralph Klever und Heike Merschitzka in der Jury der Sparte „Literatur“ zu sitzen. Deswegen darf ich ausführlich aus der Begründung zitieren1:
„Mit Lisa-Viktoria Niederberger hat sich die Jury für eine engagierte junge Autorin entschieden, die aus Salzburg in das Linzer Kunstgeschehen zurückkehrte und auch hier bereits zu einer starken Stimme im literarischen Netzwerk wurde. Im Moment ist ihr Buchprojekt „Fische freischneiden“ im Entstehen, ein Text, der vier Lebensgeschichten junger Erwachsener verwebt und in dem u.a. Dornach bzw. das Areal rund um die Universität eine wichtige Rolle spielen. Traumata und Lebenskrisen kerben sich bereits tief in die dargestellten Lebenslinien ein und rufen Gefühle der Wut und der Hilflosigkeit hervor, aus denen nur eigene Entscheidungen befreien können. Wie geht man mit dem Leben um, das man jetzt vor sich hat?
Vor allem überzeugte die Autorin die Jury mit ihren authentischen Beschreibungen von bildhaften Alltagssituationen, sei es am Spielplatz, wo die Väter der quietschenden Schaukel mit WD40-Spray zu Leibe rücken sollten und die kommunikationsfreudigen Kollektivmütter ihren „vorbeieiernden“ Windelhosenkindern die Hosen hochziehen, im „Eines-der ersten Hochhäuser-in Linz-Hochhaus“ mit dem Essensgeruch und dem Hausmeisterzettel in den Gängen oder die Familienfeier mit den „eingedüftelten sexistischen Onkeln aus Meran“, sie erzeugen sofort ein Gefühl von Identifikation, Wiedererkennung oder zumindest von ablehnender Vertrautheit.
Die Sprache, die sie dafür verwendet, integriert ganz selbstverständlich Splitter des Gesprochenen, denen auch hin und wieder ein Wortteil fehlt, Regionalismen („Gehört der leicht dir?“) und Web-Anglizismen: Mit einem „Wirtschaftsstandort my ass“ wird da etwa das verdreckte Hochhausbalkongeländer bedacht. Der Stil bleibt rotzig, trashig, natürlich, quasi eine Art dezenter regionaler Popliteratur. Gerne hätte man noch mehr von diesen Ausbrüchen gelesen, die einem unwillkürlich ein „Genauso ist es“ entlocken.
Es ist die Sprache der Generation und damit ist vor allem eines sofort klar: Wem diese Geschichte erzählt werden will. Social-Media-Beziehungshygiene und Polit-Statements, Kulturenmix und Geschlechterrollendiskussion: altersunabhängig schlüpft man gerne in das Mäntelchen der Anfangsdreißiger und fühlt sich wohl darin (in dieser Literatur).
Die Jury wünscht dieser Autorin und ihrem Buchprojekt weiterhin viel freche Energie, Rotzigkeit und Sprachwitz für die weiteren Kapitel und hofft, dies mit der Zuerkennung des Förderpreises zu unterstützen.“
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Karin Peschka ist die zweite Kollegin, die wir in der GAV OÖ begrüßen dürfen, und die zweite Autorin, deren Mitgliedschaft uns eine Ehre ist. Ihr Debütroman „Der Watschenmann“ ist vergleichsweise spät2 erschienen, hat aber in seinem Erscheinungsjahr 2014 völlig verdient für Furore gesorgt. So hat noch keine über die unmittelbare Nachkriegszeit geschrieben, über die ganze Härte und das bisschen Hoffnung. Ganz anders dann, mit viel schönem Witz, schrieb sie ihren zweiten Roman, der 2016 unter dem Titel „FanniPold“ erschien. Im Jahr darauf veröffentlichte sie in „Autolyse Wien“ postapokalyptische Erzählungen und gewann damit den Publikumspreis der Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Mit „Putzt euch, tanzt, lacht“ schließt sie wieder an „FanniPold“ an. Besonders viel Freude hat mir ihr Beitrag für die „Regressionsdisko“ 2020 gemacht, eine große Freundschaftserklärung an Manfred und an die gemeinsame Jugend: „Die Vögel heben an zu singen, und ich bin gefangen im Glück unserer Freundschaft, und so jung sind wir, glaub mir, das wird halten.“
Peschkas Prosa ist anzumerken, dass sie keine Bewohnerin des Elfenbeinturms ist, sondern ihrer Umwelt mit Einfühlungsfreude und Offenheit begegnet – nicht umsonst hat sie lange mit alkoholkranken Menschen und arbeitslosen Jugendlichen gearbeitet (zugleich auch als Online-Redakteurin und Projektorganisatorin).
Karin Peschka ist 1967 in Eferding als Wirtstochter zur Welt gekommen. Sie lebt schon seit geraumer Zeit in Wien, kümmert sich jedoch mit viel Herzblut um die vermeintliche Provinz. Gemeinsam mit Marianne Jungmaier hat sie in diesem Jahr die Reihe „dreimaldrei“ imGastzimmer Eferding ins Leben gerufen. Genauso muss es zugehen, wenn die Literatur zu den Leuten gebracht werden soll.
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Falls es noch irgendwelche Zweifel geben sollte, sage ich es noch einmal, ganz gewiss im Namen von uns 67 anderen: Wir freuen uns sehr, Lisa-Viktoria Niederberger und Karin Peschka in der GAV OÖ begrüßen zu dürfen!
1 Die Heike Merschitzka aus gemeinsamen Stichworten trefflich formuliert hat.
2 Was natürlich als einziges Qualitätskriterium einer Literaturkarriere reichlich old school eingeschätzt wäre...
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