Von Dominika Meindl (Text +Fotos)
Ruth Aspöck, die man schon alleine wegen ihrer wirklich sehr schönen Outfits als Grande Dame der GAV (OÖ) bezeichnen darf. Sie sprach über Mark Twain, den sie in eigener Übersetzung vortrug. Sie unternahm eine literarische Reise, auf der sie Tom Sawyer und Huckleberry Finn auf einem Floß über den Mississippi begleitete.
Walter Kohl hatte eigentlich über Donald Duck sprechen wollen, ging aber des Heftls verlustig und besann sich seiner Faszination für Meier Helmbrecht. Das sei auch recht aktuell angesichts der Debatten über Klassismus. Die Gewaltmenschen im Text erinnerten ihn an "die Bauernbuben in Schönering, die ich in meiner Jugend fürchtete". Im 13. Jahrhundert wurde der Text recht gesichert zu Musik vorgetragen, weswegen Kohl ankündigte, nun den Rest des Vortrags mit dem Fotzhobel zu begleiten. Nur ein Witz, es ging verbal weiter. Es amüsiert ihn, dass Wernher der Gaertenere in langen Passagen die Vogelstickereien auf Meiers Kappe schildert ("das ist ein bisschen wie auf Instagram"9, während die Action rumsbums über die Bühne geht. Erich Wimmer wies als Absolvent der Florianer Bauernschule darauf hin, wie sehr es ihm gefallen habe, dass sich Meier seiner Standes-Bestimmung entzieht und vom väterlichen Acker macht.
Walter Baco hatte in Mails an die Verfasserin angekündigt, ausschließlich über seine Erstbesteigung des Pöstlingbergs zu berichten, aber so wie Walter Kohl beließ er es beim Witz. Stattdessen gab er seiner Begeisterung über Daniel Kehlmanns Frühwerk "Ruhm" Raum. Es sei ihm ungemein sympathisch, wie sich der Auto selbst auf die Schippe nehme. Das Geflecht der neun Erzählungen sei fein gesponnen und eine literarische Freude.
Foto: Stifterhaus
Als Verfasserin dieses Nachberichts überspringe ich meinen eigenen Beitrag und belasse es bei einer dringlichen Empfehlung: Bitte lest "Der lebende Berg" von Nan Shepherd. Man muss die Berge nicht lieben, um diesen Stil zu lieben.
Wally Rettenbacher sprach über die höchst limitierte Auflage des 1965 veröffentlichten Hefts "Sea & Sky" von Robert Lax (1915 bis 2001). Seine Biographie hat selbst schon Literaturwürdigkeit. Als Drehbuchautor für Hollywood und Autor für National Geographic wollte er in New York nicht glücklich werden. Es brauche enorme Willenskraft, um mit 50 alles hinzuschmeißen, mit Zirkusakrobaten loszuziehen und auf Patmos anzukommen. Hier schrieb Lax ("very wise and very busy") seine ganz und gar eigenwilligen Gedichte? Kürzest-Stories? Rhythmischen Notate? Minimalistische, abstrahierte, vertikale Gedichtlinien, "Säulen aus Silben!" Rettenbacher verwendete seine Texte für ihr Meditationsprojekt in Bangkok, da es auch Lax' Ziel war, zu Momenten zu gelangen, an denen man aus der Zeit tritt. Eine Inhaltsangabe ist unmöglich, sein Schreiben gleiche eher einer Jam-Session.
Wally Rettenbacher interessierte es, ob die Violonistin Valentina Pirklbauer das Ergebnis ihrer Silbenzählung in Musik übersetzen könnte. Wer weiß, ob wir 2024 mehr darüber hören. Heuer brachte sie wie seit Beginn der Reihe die Frage auf, ob nicht in Wahrheit die Texte die Zwischenräume ihrer Darbietung seien.
Erich Wimmer, Gastgeber und Vater der schönen Reihe "Was wir lesen" schloss den Abend mit seinem Enthusiasmus für George Steiners Text "Warum Denken traurig macht", "einer Art Predigt eines führenden Komparatisten." Es gebe zehn Gründe für die Schwermut: Wir gelangen nie zu abschließenden Gedanken. Denken ist ein dilettantisches Unterfangen. Die Gedanken sind bunte Banalitäten und stehen der monochromen Wahrheit entgegen. Denkprozesse sind diffus und kommen nie ordentlich zum Ausdruck, ein maßloser Verlust. Die innere Version ist nicht nach außen zu projizieren, die Beziehung zwischen Denken und Artikulation misslingt laufend. Es gibt keinen archimedischen Punkt, die Vertreibung aus dem Paradies ist ein Fall ins Denken. Wir bleiben einander Fremde. Wenig ist wert, gedacht zu werden, und noch weniger, gesagt zu werden. Denken verabscheut Leere.
Für Erich Wimmer ist die "Amplitude zwischen dunklem Kontinent und unseren glühwürmchenartigen Geistesblitzchen im Urgrund komisch". Wimmer fühlt im Altern eine "wohltuende Enternstung des Lebens".
Und genau deswegen freuen wir uns auf das nächste "Was wir lesen" am 23. April 2024 (äußerst passend am Welttag des Buches).
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