Montag, 2. Dezember 2019

Offener Brief an Landeshauptmann Stelzer: Die GAV OÖ ist linksextrem?!

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!


Nun haben wir uns offenbar – ohne es selbst zu bemerken – radikalisiert: Laut oberösterreichischem Handlungskonzept gegen Extremismus müssen wir OrganisatorInnen von Donnerstags-Demos unter dem Kapitel „Linksradikalismus & Linksextremismus“ behandelt werden. Darin sehen wir einen Affront. Wer ist dafür verantwortlich, uns auf diese Weise zu kategorisieren? Das grenzt an Ruf- und Kreditschädigung, zumal im Verfassungsschutzbericht des BVT 2018 der Begriff „Linksextremismus“ Positionen bezeichnet, „die mit Gewaltakzeptanz und -befürwortung verbunden sind und deren Anhänger für die Durchsetzung ihrer Ideologien und in der Auseinandersetzung mit anderen politischen Weltanschauungen bewusst Gesetzesbrüche einkalkulieren."
Wir, die größte Vereinigung von SchriftstellerInnen in Oberösterreich, weisen derlei Haltungen schärfstens zurück. Wir stehen für sozialen Zusammenhalt und setzen uns gegen Rechtsextremismus ein. Darauf sollte sich auch die Landesregierung konzentrieren, da selbst das Handlungskonzept beweist, dass hier Gefahr droht. Die Rede vom „Extremismus von beiden Seiten“ soll lediglich verdecken, dass Oberösterreich beim Anstieg rechtsextremistischer Straftaten Spitzenreiter ist.
Eine Regierung, die ernsthaft ihre friedlich für Meinungsfreiheit eintretende Bevölkerung als linksextrem einschätzt, müsste sich die Frage stellen lassen, ob nicht sie selbst es ist, die sich radikalisiert hat. Wir möchten nicht glauben, dass Sie und die oberösterreichische Landesregierung die GAV OÖ und alle KollegInnen von der Initiative „In Linz ist Donnerstag“ als GewaltbefürworterInnen erachten. Unsere konstruktiven Gespräche miteinander haben einen anderen Eindruck erweckt.
Veranlassen Sie daher bitte umgehend die Neuformulierung dieses Kapitels. Wir sind stolz, Teil der Initiative zu sein und erinnern Sie an deren Prinzipien erinnern: „Für eine lebendige Demokratie. Für eine solidarische Gesellschaft. Für einen achtsamen Umgang mit Ressourcen. Wir fordern Menschlichkeit in Politik und Gesellschaft!“


Mit freundlichen Grüßen im Namen der Grazer Autorinnen Autorenversammlung:
Dominika Meindl



Stimmen unserer Mitglieder


Sehr geehrter Herr Landeshauptmann!
Ich gestehe, dass ich als Hauptverantwortlicher für die GAV OÖ das Demo-Fest am 12. September unter dem Motto „Kultur für mehr Demokratie“ vorbereitet und organisiert habe. Bin ich in Ihren Augen deshalb (schon) linksradikal? Mit Erschütterung habe ich mich in Ihrer „Handlungsanweisung gegen Extremismus“ wiedergefunden.
Ich glaube, dass es die verdammte Schuldigkeit und Pflicht jedes demokratisch denkenden Menschen in unserem Land ist, aufzustehen gegen jegliche Tendenz zum Radikalismus, für den nun einmal Ihr Regierungspartner FPÖ steht?
Mit freundlichen Grüßen, Kurt Mitterndorfer, GAV OÖ


Ist denn das Eintreten für Menschenrechte als "linksradikal" einzustufen? Dann wäre ja auch die UNO "linksradikal", oder der Papst!
Richard Wall


Sollten die Leute nach den jüngsten Skandalen nicht etwas leisertreten, anstatt auf die einzuschlagen, die bereits vorher gewarnt haben?
Lisa Spalt


Die Zuschreibung dient offenbar dazu, eine – weitere – Begriffsverschiebung im Zusammenhang mit "links" zu etablieren und natürlich auch dazu, ein künstliches Gegengewicht zu den wesentlich präsenteren (und gefährlicheren) Rechtsradikalen herzustellen und dabei Ausgewogenheit vorzutäuschen.
Der Sinn dieser Zuordnung liegt offenbar darin, die Proteste gegen Türkis oder Schwarz-Blau in ein schmutziges Eck zu rücken, NestbeschmutzerInnen, und noch bedrohlicher, die ohnedies doch sehr harmlose Gegenbewegung zu kriminalisieren und vielleicht auch einen Spaltpilz zu pflanzen.
Erich Klinger




Ich will nicht vergessen, welche Leiden und Opfer abertausende ArbeiterInnen für den Erhalt ihrer Rechte erbracht haben. Sie waren links. Auch ich bekenne mich dazu, will die Geschichte der ArbeiterInnenbewegung nicht am Altar der neuen, und offensichtlich auch von Ihnen vertretenen Bourgeoisie und Neoliberalen opfern.
Herr Landeshauptmann, nehmen Sie die TeilnehmerInnen der Donnerstagdemos, deren Organisatoren und andere, für Demokratie eintretende Gruppierungen aus der Liste, die Sie fälschlicherweise als linksextrem bezeichnen.
Mit freundlichen Grüßen, Luis Stabauer


Ist man denn wirklich schon linksradikal, wenn man die politischen Konzepte eines HC Strache und Herbert Kickl aus tiefstem Herzen verabscheut?
Ist man wirklich schon linksradikal, wenn man gegen allwöchtentliche ‘Einzelfälle’ allergisch ist?
Ist man wirklich schon linksradikal, wenn man gegen die Relativierung fundamentaler Menschenrechte protestiert?
Ist man wirklich schon linksradikal, wenn man Sozialhilfekürzungen bei den Ärmsten der Armen als unmenschlich empfindet?
Dass die FPÖ versucht, jede Kritik an ihrer nationalen Gesinnunspolitik als ‘linksradikal’ abzutun, ist verständlich.
Aber Sie als Landeshauptmann sollten da doch etwas genauer differenzieren.
So wie rechtskonservative Politik nicht gleichbedeutend ist mit rechtsradikaler Politik, ist auch linker Protest nicht gleichbedeutend mit linksradikalem Protest.

Freundliche Grüße, Dietmar Füssel


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